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James Blunt in Berlin.

© DAVIDS

James Blunt in Berlin: Raketenmann mit Herzschmerzen: James Blunt

James Blunt flaniert in der Berliner O2 World über seinen tränenreichen Boulevard der zerbrochenen Träume. Sein Hit "You're Beautiful" wird frenetisch gefeiert.

James Blunt nimmt sich die Zeit, bei Twitter jede Anfeindung persönlich zu parieren. Da schreibt ein junger Mensch: „Kann mir nichts Schlimmeres vorstellen als das neue James-Blunt-Album“. Der Sänger antwortet: „Den Kids fehlt heutzutage echt die Fantasie.“ Auf die Frage, warum er sich in einem seiner Videos halb entblöße, entgegnet er: „Na ja, die andere Hälfte meines Körpers ist nicht so beeindruckend.“ Beim Konzert in der komplett bestuhlten und gut gefüllten O2 World bricht derlei Humor nur einmal durch. Blunt bittet das Publikum bei einer ruhigen Nummer, nicht mitzuklatschen. „You’re gonna fuck it up anyway“, sagt er und lächelt dünn. James Blunt muss es wissen, der weitere Verlauf des Auftritts zeigt: Hier wird ausdauernd mitgeklatscht, und ausdauernd falsch.

Ein schöner Moment an einem Abend, der sonst über wenig Zwischentöne verfügt. James Blunt ist mit seiner im Herbst erschienenen Platte „Moon Landing“ in der Stadt. Dementsprechend die Kluft: Der Mann, den die „Süddeutsche Zeitung“ vor Jahren mit dem schönen Wort „Weinerle“ etikettierte und der von seinen bisher veröffentlichten Alben gute 20 Millionen Exemplare absetzte, und seine Begleitband tragen Raumanzüge. Also, keine richtigen Raumanzüge, in denen kann man sich ja gar nicht bewegen. Eher diese Overalls, die in Filmen immer die Mechaniker anhaben, die Space Shuttles reparieren. Auf dem Ärmel prangt der Union Jack, und die große Leinwand im Hintergrund zeigt ab und zu den Start einer Rakete, die Erde von oben und ähnliches Bildwerk.

Streicherkitsch und jede Menge Pathos

Zwei, drei Mal zerschneidet Laserlicht den Hallenhimmel. Den bei einem solchen Überbau naheliegenden Einsatz von Pyrotechnik verkneift sich der 40-Jährige, ist vielleicht auch zu gefährlich: Wo bei der Stadionrock-Kollegenschaft die Bühne zum knallenden Show-Parcours wird und das Konzert zum Zirkus, geht’s bei Blunt betont um die Musik. Auf runden, ein bisschen an Ufos erinnernden Konstruktionen, ist ein beeindruckender Instrumentenpark aufgebaut. Ein Klavier, das der Chef selbst bedient. Eine Orgel- und Keyboard-Burg, ein großes Schlagzeug. Der Gitarrist hat am Bühnenrand einen dieser Gitarrenständer, die gut 20 Exemplare fassen. Vom Setting her fühlt man sich an die Spätsiebziger erinnert.

Sieht man von einigen Kurzreferenzen ab – da wummert kurz die Orgel, da darf der Gitarrist ein Minütchen gniedeln, da lässt Blunt seine Stimme einmal exakt so in die Höhe steigen wie der große Elton John in „Rocket Man“ – hält die Musik dieses Versprechen keinesfalls ein. Blunt, das weiß man seit seinem großen Hit „You’re Beautiful“, der von den Fans frenetisch gefeiert wird, macht Radiopop, der um seine Befindlichkeiten kreist – und die sind ein einziger Boulevard der zerbrochenen Träume. Schmerz ist im Pop ein legitimer Trigger, bei Blunt haben wir allerdings ein Problem: Sein Schmerz kippt formal und inhaltlich häufig in Richtung Nabelschau.

„Trouble is her best friend and he’s back again“, klagt er in „Carry You Home“, an anderer Stelle geht’s um das leere Lächeln, Postkarten, die vom Herzen kommen oder die Sterne am Himmel. „Miss America“ widmet er gar Whitney Houston, Amy Winehouse und auch Marilyn Monroe, was beim Publikum für Irritationen sorgt, schließlich ist deren Tod auch schon eine Weile her. Ein schwerer Song, dessen womögliche Ernsthaftigkeit bis zum Hals im Streicherkitsch versinkt. Selbst wenn das Tempo etwas ansteigt, etwa in „These Are The Words“, bleibt Blunt im Reich der Tränen: „I’m dancing with a broken heart. Ain’t no doctor who can make it start“, singt er, während er im Stechschritt die Bühne abmarschiert. Wäre Pathos eine Waffe, Blunt würde jeden Krieg gewinnen.

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