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© ddp

Kino: James Bond: Hart an der Grenze

Drei Dinge braucht der Bond: Härte, Smartheit und Charme. In „Ein Quantum Trost“ bringt Daniel Craig die Härte zurück - und trauert. Den postmodernen Batmans und Bournes wird er damit immer ähnlicher - zum eigenen Schaden.

Sean Connery, der Ur-Bond, hatte Härte, Smartheit und Charme, seine beiden relevanten Nachfolger noch des 20. Jahrhunderts verfügten darüber in abnehmendem Maße. Roger Moore war eher smart als hart und köderte seine Kundschaft vor allem mit öligem Charme. Dem schönen Pierce Brosnan nahm man Härte kaum mehr ab, ebenso wenig echten Charme; also musste er sich ganz auf jene gepflegte Ausstrahlung verlassen, die man auch bei besseren Herrenausstattern kaufen kann.

Daniel Craig, der vor zwei Jahren mit „Casino Royale“ den Olymp leibhaftiger Bonds erklomm, brachte – und das vor allem erklärt seinen phänomenalen Erfolg – der Figur zurück, was sie am längsten hatte vermissen lassen: Härte. Smart ist Craig nur, wenn man den Widerspenstigen ausnahmsweise seiner Durchschwitzhemden entledigt und ihn etwa in einen Tom-Ford-Anzug steckt. Und Charme? Den kann er nicht wirklich und will ihn drum umso weniger. Dafür hat Craig den menschenähnlichsten Androiden unserer globalen Comic-Fantasie nach den Geschmacksverirrungen vergangener Jahre wieder ordentlich mit Fäusten und Muskeln und Lunge ausgestattet. Lob und Dank dafür – und eines Tages gewiss der Ritterschlag durch das britische Königshaus.

Andererseits, hart ist heute so ziemlich jeder im Wettbewerb der Superhelden, und deshalb verordneten die Drehbuchdoktoren dem neu erweckten Bond schon in „Casino Royale“ ein bisschen Liebe – zu seiner dienstlichen Partnerin Vesper Lynd (Eva Green) vom britischen Finanzministerium, die dann leider unter mysteriösen Umständen in einem einstürzenden venezianischen Palazzo zu Tode kam. „Ein Quantum Trost“ nun schließt, erstmals in der Geschichte der 22 Bonds, direkt an den Vorgängerfilm an. Folglich gibt es nicht nur Blut und Schweiß, sondern auch viele männlich nach innen geweinte Tränen. Also: Wut. Und Rachsucht. Und noch mehr Härte.

Ein Bond sieht rot – und tötet erstmal alles und jeden: Im Imperium des britischen MI 6 ist so was eigentlich verboten. Auch geht es kaum an, dass 007 als unbeirrbarer Trauerkloß durchs Bild hechtet, ohne die vorbeilaufenden Schönheiten auch nur eines Blickes zu würdigen. Tja, jemand, der liebt, wird treu. Jemand der liebt, wird verletzlich. Jemand, der liebt, bekommt eine bemerkenswerte Vergangenheit. Jemand, der liebt, altert. Jemand, der liebt, ist sterblich. Jemand, der über den Verlust seiner Geliebten nicht hinwegkommt, könnte sich, horribile dictu für einen wie Bond, gar das Leben nehmen. James Bond also ins Heer jener Unberechenbaren einzureihen, die mit einem schweren Schicksal geschlagen sind, ist ein hochriskantes Drehbuchmanöver – an der Grenze dessen, was das Genre noch zulässt.

Mildernde Umstände immerhin liegen nicht fern. Schließlich führte „Casino Royale“, erstes Prequel aller Bonds, in die Anfänge seiner Agentwerdung mit der Lizenz zum Töten; also mag er nun, im ersten Sequel aller Bonds, in seinerfilmcharakterentwicklungsspezifischen Pubertät stecken, Irrungen und Wirrungen eingeschlossen – Hauptsache, die erste Liebe bleibt auch die einzige, wie sich das für einen Top-Agenten Ihrer Majestät gehört. Und: Ein Bond, der mit einigem seelischen Gepäck zur Action schreitet, ist, zumindest abwechslungsweise, allemal interessanter als einer, der immer nur aufräumt, aufräumt, aufräumt.

Action gibt es von Anfang an – mit einer furiosen Verfolgungsjagd am Gardasee, bei der wie gewohnt diverse Aston Martins zerschrottet werden – und so fort bis zum Ende nach den für Bond-Verhältnisse schlanken 106 Minuten. Allerdings ist, Fluch jedes Fortsetzungsfilms, dramaturgisch bald jeder verloren, der das Geschehen von „Casino Royale“ nach zwei Jahren anderweitiger Wahrnehmungsübungen nicht mehr gar so präsent haben sollte. Nicht nur der Tod der schönen Vesper, die auf Druck der letzthinnigen Finsterlinge mit Millionen von Poker-Zocker-Dollar stiften ging, bevor sie sich womöglich selbst opferte, um ihren geliebten James zu retten, spielt immer wieder eine Rolle. Auch ist es hilfreich, einen gewissen Mr. White (Jasper Christensen), der einem Kofferraum zwecks alsbaldiger Folterung entsteigt, gleich jenem Syndikat zuzuordnen, das in „Casino Royale“ mit inszenierten Terror-Anschlägen massiv an der Börse abzusahnen trachtete.

Dabei fällt „Ein Quantum Trost“, aktuell schlagzeilentechnisch gesehen, hinter die Schlüsselreizthematik des Vorgängerfilms zurück: Ökologie statt Ökonomie ist die Devise, zumindest zum Schein. Die Organisation namens Quantum, die mit aller Gewalt ihren Anteil vom globalen Geldvermehrungskuchen einzustreichen sucht, tarnt sich als Umwelt-Wohltäterin, mit Dominic Greene (leicht hyperventilierend: Mathieu Amalric) als ihrem zwielichtigen Protagonisten. Die Bösewichter nun jetten von der Toscana an den Bodensee, wo alteuropäische Kultur-Events wie der Palio in Siena oder eine „Tosca“ auf der Bregenzer Seebühne in hektischen Parallelmontagen visuell zerlegt werden, bis nach Haiti und Bolivien – und haben dabei Bond immer dicht im Gefolge.

Die galoppierende Unübersichtlichkeit globaler Wirtschaftsverhältnisse spiegelt sich, unfreiwillig, aufs Schönste im Plot. Offenbar strebt Quantum die Kontrolle über die Welt-Rohstoffe an, weshalb das Syndikat sich in schlechter, alter CIA-Manier schmierend der Dienste schmieriger Ex-Diktatoren à la General Medrano (Joaquin Cosio) versichert, denen sie die Rückkehr an die Macht verspricht. Aber warum kapriziert man sich ausgerechnet auf die bolivianischen Wasserreserven, wo doch bei den örtlichen Indios allenfalls Centavos zu holen sind? Egal, Hauptsache, die Kampfszenen zünden, die Verfolgungsjagden zu Lande, zu Wasser und in der Luft sehen atemberaubend aus, und das Inferno flammt final. Alles zwar schon dagewesen, aber die Rechnung geht auf: Als Actionfilm überzeugt „Ein Quantum Trost“ in nahezu jeder Einstellung.

Etwas vergessen? Richtig, die BondGirls. Es gibt zwei, ein konventionelles und ein ungewöhnliches. Die rotschopfige MI6-Agentin Fields (Gemma Arterton) dient mit ihrem Eintagsbienenauftritt der knappen Verbeugung vor der Bond-Tradition: Daniel Craig, immerhin hier einmal Gentleman, führt sie aus haitianischen Hotel-Kaschemmen in ein Sechs-Sterne-Haus, wo die Hübsche allerdings nach rudimentärstem Austausch von Zärtlichkeiten bald nur mehr als Zweisekunden-„Goldfinger“-Zitat benötigt wird. Camille dagegen, umwerfend verkörpert vom ukrainischen Jung-Star Olga Kurylenko, hat selber mit dem schurkischen General Medrano eine Rechnung offen, die sie brutalstmöglich zu begleichen trachtet. Noch eine Rächerin also, eine Bond-Partnerin statt einer Bond-Gespielin, das tough girl zum tough guy. Klar, dass die Beiden zum finalen Abschwung nicht im Lotterbett auf der Luxusyacht landen.

Der diensthabende Regisseur Marc Forster, der 2002 in „Monster’s Ball“ so aufsehenerregend Billy Bob Thornton mit Halle Berry vereinte, treibt die Demontage tradierter Bond-Essentials weiter voran. Keine Scherzchen, keine Technikmätzchen, kein „Geschüttelt oder gerührt?“-Ritual, keine „Bond, James Bond“-Vorstellungsrunde, nun also auch: kein Sex. In „Ein Quantum Trost“ bleibt dem seit 1962 tätigen und folglich ältesten aller Serienhelden des Kinos nicht einmal ein Quäntchen Tröstung. Stattdessen betreibt er vor allem Trauerarbeit und übt mühselig seine Lebensrolle als kalter Killer für die immer noch bessere Sache ein. Den postmodernen Batmans und Bournes, die ihre schizoiden und anderweitigen Traumata stets brachial zu kurieren trachten, wird er damit zum eigenen Schaden immer ähnlicher. Bond aber, das verlangt die Marke, darf nicht auf Dauer verwundbar bleiben. Denn das hieße, dass er lebt.

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