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Wasserwahrzeichen. Schmettaus Weltkugelbrunnen wurde 1983 eingeweiht.

© imago stock&people

Joachim Schmettau zum 80.: Verspielte Strenge

In Berlin kennt jeder seinen Weltkugelbrunnen: Dem Bildhauer Joachim Schmettau zum 80.

Man könnte auch einmal mit seiner „Hand“ beginnen. Es war die erste Plastik, die Joachim Schmettau 1975 in Berlin verwirklichte. Neun Jahre vor seinem Weltkugelbrunnen am Europa-Center, der seither als „Wasserklops“ durch das Werk des Berliner Bildhauers rollt. Ach was: zu seinem Synonym geworden ist.

Dabei verrät die monumentale Bronzehand im Hansaviertel weit mehr über den Künstler und seine Haltung. Sie folgt dem Ideal der Klassik, auch wenn man sich das Körperfragment allein schon wegen seiner Größe – das Kunstwerk misst mit Sockel stolze viereinhalb Meter – nur schwer als Teil einer griechischen Statue vorstellen kann. Die digitale Uhr am Handgelenk aber ist eine Zutat der siebziger Jahre – Schmettaus Ode an die eigene Gegenwart, mit der er die zeitlose Formsprache seiner Figuren kreuzt. Keinesfalls sollte der Eindruck entstehen, hier sehne sich einer zurück in die gestalterische Vergangenheit.

Schmettau war immer in seiner Zeit präsent

Schmettau, der diesen Sonntag seinen 80. Geburtstag feiert, war immer in seiner Zeit präsent. Nach dem Studium bei Ludwig G. Schrieber entscheidet er sich 1961 für die figürliche Bildhauerei. Die Resonanz ist groß, es gibt Stipendien in Florenz (Villa Romana) und Rom (Villa Massimo). Schon 1971 lehrt er selbst an der heutigen Universität der Künste. Im folgenden Jahr gründet sich die „Gruppe Aspekt“ mit Malern wie Peter Sorge und Wolfgang Petrick. Joachim Schmettau ist der einzige Skulpteur unter ihnen, verbindend wirkt ihr gemeinsames Bekenntnis zum Neuen Realismus. Wie lose die Fäden dennoch sind, sieht man im weiteren Werk des Künstlers. Schmettau beginnt zu experimentieren, Sozialkritik, das Thema von Sorge und Petrick, liegt ihm nicht. Lieber vertieft er sich in die der Kunst immanenten Fragen: Mit welchen Mitteln lassen sich Köpfe gestalten oder Figuren aufeinandertürmen? Wie verhält sich Gips zu Marmor, und wie wirken Oberflächen, die man so lange glättet, bis der „Stehende Mann mit Armbanduhr“ von 1979 aussieht wie ein Wesen aus dem Film „Metropolis“? Draht und Kochlöffel, Pinsel und Perlenschnüre werden Teil des Werks, es gibt bronzene Schiebermützen und Zigaretten aus Marmor.

Er arbeitet geometrisch und mit Lust an Details

Schmettau arbeitet streng und geometrisch, dann wieder ausufernd und mit Lust am Applizieren zahlloser Details. Zuletzt waren Arbeiten von ihm 2016 in der Berliner Galerie Poll zu sehen, die selbst mit der Ausstellung „Alles auf Anfang“ auf ihre Wurzeln zurückblickte; darunter „Der Bildhauer“ (1972) an einer Skulptur werkelnd, die ihr völliges Eigenleben hat.

So gesehen ist der „Wasserklops“ am Ende doch ein Werk, in dem sich alle Facetten des Künstlers begegnen. Das Werk wiegt schwer, ist aus rotem Granit und geometrisch aufgebaut. Von Weitem wirkt er fast wie ein archaischer Helm in der stattlichen Größe von viereinhalb Metern. Um ihn herum aber versammeln sich jene bronzenen Wesen, die ebenfalls typisch sind für Schmettau. Eine Figur mit Schweißerbrille. Ein badender Frauenakt. Ein Liebespaar. Wer Schmettau sagt, denkt zuerst an den Weltkugelbrunnen – und dann vielleicht an die „Hand“. Sie hat es immerhin in einen prominenten Videoclip der achtziger Jahre geschafft. Da lebte Martin Gore von Depeche Mode drei Jahre lang in Berlin. Für den Clip stehen die Jungs stumm unter Schmettaus digitalem Zeitmesser, während aus dem Off „Everything counts“ zu hören ist. Christiane Meixner

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