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Jocelyn B. Smith lebt seit fast 40 Jahren in Berlin.

© Fruit Basket

Jocelyn B. Smith: Die Soul-Queen von Berlin

Jocelyn B. Smith tritt bei der Verleihung des Berliner Inklusionspreises auf. Mit dem Tagesspiegel spricht sie über soziales Engagement, Obdachlosen-Chöre und deutsche Herzlichkeit.

Jocelyn B. Smith hätte sich dafür entscheiden können, in ihrer Geburtsstadt New York zu bleiben und in den USA zu Karriere zu machen - doch sie entschied sich für Berlin, das seit fast 40 Jahren ihre Wahlheimat ist. Egal ob Soul, Jazz oder Oper: Smith hat eine der stärksten Stimmen der Hauptstadt, die sie unter anderem schon bei Falco, Lenny White, Udo Jürgens, Till Brönner, Tangerine Dream, den Berliner Philharmonikern oder bei Disney zum Einsatz gebracht hat – für die deutsche Version von „Circle of Life“ aus dem Zeichentrick-Klassiker „König der Löwen“ bekam sie 1995 eine Goldene Schallplatte.

Ein Zeichen für mehr Menschlichkeit

Immer wieder verbindet sie ihr musikalisches Schaffen damit, ein Zeichen für mehr Menschlichkeit und Miteinander zu setzen: Nach dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz sang ein Chor aus mehreren hundert Menschen unter ihrer Anleitung am 21. Dezember 2016 den Song „We are the World“ neben der Gedächtniskirche.

Als Smith gefragt wurde, ob sie bei der diesjährigen Verleihung des Berliner Inklusionspreises des Lageso auftreten wollte, musste sie nicht lange überlegen: „Inklusion bedeutet für mich, alle dazu einzuladen, an diesem Leben teilzunehmen“, sagt sie. „Wir alle haben dieses Recht und wir sollten nicht darum kämpfen müssen.“

Inklusion bedeutet für mich, alle dazu einzuladen, an diesem Leben teilzunehmen.

Jocelyn B. Smith

Smith hat seit langem eine Verbindung zu dem Thema: 2008 gründete sie den gemeinnützigen Verein „Yes We Can“, der sich für ein weltweites Verbot von Streumunition und Landminen einsetzt. „In vielen Ländern gibt es häufig noch Landminen im Boden und immer wieder werden Kinder Opfer davon“, sagt Smith. „Sie beginnen ihren Weg ins Leben dann mit einem Bein weniger.“ 2008 sang sie in Oslo zusammen mit norwegischen Kindern den Song „Higher Love“ bei der Unterzeichnung des Übereinkommens zum Verbot von Streumunition, das von 94 Staaten angenommen wurde.

Der Wunsch, anderen zu helfen, liegt Smith im Blut: Für die 1960 im New Yorker Stadtteil Queens geborene Afroamerikanerin gehörte gegenseitige Hilfe zu den wichtigsten Erfahrungen in ihrem jungen Leben. „Das war die Einstellung meiner Community in New York: Ich komme nicht weiter im Leben, wenn ich meine Augen vor den Anderen verschließe.“ 

Mit dieser Einstellung ging sie in die Welt – und machte Karriere: Neben ihrer klassischen Klavierausbildung betätigte sich Smith Ende der 70er Jahre vor allem als Sängerin und wurde prompt von Lenny White entdeckt. Der Miles Davis-Drummer machte sie zur Frontsängerin seiner Funk- und Soul-Band Twennynine und engagierte sie für seine erste Soloplatte. Nach mehreren erfolgreichen Europatourneen mit verschiedenen Bands entschloss sie sich 1984 nach einem Konzert in Westberlin dazu, einfach hierzubleiben.

„Ich hatte ja seit dem fünften Lebensjahr eine Klavierausbildung gemacht und nun war ich hier im Land von Bach, Mendelssohn und Beethoven! Also dachte ich mir: Let’s check this out!“ Das Berliner Publikum erlebte sie dabei als überaus wertschätzend: „Die Leute waren sehr angetan von der Musik und haben einem das auch gesagt – das hat mich damals sehr unterstützt und hat mir viel Kraft gegeben.“

Ein Dutzend Alben hat sie seitdem aufgenommen, in denen sie auch ihre spirituelle Seite nie versteckt hat: Mit „Born of Music“ gelang ihr 1992 der Durchbruch in Deutschland, für „Blue Light And Nylons“, ihre gefeierte Hommage an Kurt Weill und George Gershwin, erhielt sie 2003 den German Jazz Award.

Ich glaube, die Deutschen sind sich ihrer eigenen Herzlichkeit nicht wirklich bewusst.

Jocelyn B. Smith

Damals trat sie vor allem im Quasimodo auf, im Laufe der Jahre war sie jedoch auf so gut wie allen Berliner Bühnen unterwegs. Nicht nur in der Hauptstadt fühlte sie sich wohl: „Ich bin in so vielen Orten in Deutschland aufgetreten und habe immer wieder die unglaubliche Herzlichkeit und Bodenständigkeit der Menschen erlebt“, sagt Smith. „Ich glaube, die Deutschen sind sich ihrer eigenen Herzlichkeit nicht wirklich bewusst.“

Ihr Chor-Projekt heißt „Different voices of Berlin“

Vielleicht gilt, was Smith damals selbst verinnerlicht hat: Wer anderen hilft, dem wird geholfen. Dass ihr so viel Herzlichkeit entgegengebracht wird, liegt vielleicht daran, dass sie selbst viel davon gibt: 2006 begann sie damit, ehrenamtlich Gesangsunterricht in der „Gitschiner 15“ zu geben, einem Kreuzberger Gemeinschafts- und Nachbarschaftszentrum gegen Armut und soziale Ausgrenzung. „Different voices of Berlin“ heißt das Chor-Projekt, mit dem sie seit 16 Jahren sozial benachteiligten und obdachlosen Berliner:innen die Möglichkeit gibt, ihre eigene Stimme zum Klingen zu bringen.

Auch das ist für Smith eine Form von Inklusion: „Jede Stimme hat eine Geschichte, und jeder Mensch ist es wert, diese Geschichte zu teilen und gehört zu werden.“ Hauptsächlich singt der Chor Gospel-Stücke und Songs von Smith, für die Musik auch eine spirituelle Seite hat.  

In Berlin aufzutreten ist für Smith immer etwas Besonderes: „Das ist wie ein Heimspiel, alle sind dann da.“ Der Song „Der ewige Kreis“ gehört fest zum Programm, auch bei der Verleihung des Inklusionspreises hat sie ihn gesungen: „Ja, der ist immer dabei“, sagt sie. Und da der „König der Löwen“ bis heute populär ist, sind es nicht nur Erwachsene, die ihn mitsingen: „Es sind auch immer wieder Teenager dabei, die den Song kennen“, sagt Smith.

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