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Kühler Virtuose. Der amerikanische Gitarrist Joe Bonamassa, 38.

© Rick Gould/Promo

Joe Bonamassa live in Berlin: Der Raser

Der amerikanische Gitarrenvirtuose Joe Bonamassa gab im Tempodrom ein technisch perfektes aber seelenloses Bluesrock-Konzert. Nochmal heute Abend.

Während Schlag acht das Licht ausgeht im Tempodrom, und etliche Besucher noch herumirren auf der Suche nach ihren Sitzplätzen, tönt Johnny Cash ins Dunkle: „Ring Of Fire“. Illuminiertes Klavierintro auf der Bühne, kurz und feierlich, und schon feuert Joe Bonamassa hinterher. In atemberaubender Geschwindigkeit fiedelt und gniedelt er über das Griffbrett einer dunkelroten Stratocaster. Damit von Anfang an klar ist, was er kann: gefühlte tausend Töne pro Nanosekunde. Beeindruckend, aber vielleicht doch nicht so richtig gefühlt. Nicht aus der Seele, nicht aus dem Herzen. Eher äußerlich, ehrgeizig, antrainiert.

„This Train“ rast mit schnellem Schienenschlag, treibenden Drumbeats, rasant melodiösem Bass, verhaltener Orgel und wippenden Bläsern in den Abend. Und gleich drei weitere Songs hinterher, vom soliden neuen Album „Blues Of Desperation“. Dessen Titelsong beginnt interessant mit orientalischem Sound und einem Les-Paul-Gitarrenklang wie gemischt aus elektrisch verstärkter Maultrommel und Didgeridoo. Rasch dreht ihn Bonamassa in ein verzwirbeltes Led-Zep-Riff ab, zitiert zwischendrin Cream.

Bonamassa spielt virtuos. Aber auf die Länge wirkt es etwas gleichförmig und farblos. Grau wie seine Schuhe, sein Hemd und sein Anzug, dessen Hose ein wenig zu eng, dessen Jacke ein wenig zu kurz erscheint. Vielleicht sollte ihn sein Freund Eric Clapton mal beraten: in Anzugsangelegenheiten. Auf der Gitarre ist Bonamassa gegen Clapton und alle anderen Vorbilder sicher flinkfingriger. Vielleicht ist er sogar der Schnellste im ganzen Westen, der das Duell mit jedem locker aufnehmen könnte.

Brav und beflissen

Noch nicht entdeckt zu haben allerdings scheint der Virtuose das große Geheimnis der nicht gespielten Töne. Bonamassa muss sie noch alle spielen. Was ihn etwas streberhaft klingen lässt. Mit einer Flying V huldigt er Freddie, BB und Albert King, swingt jazzelig, singt knödelig und ein wenig im Timbre von Paul Rodgers. Überhaupt erinnert einiges an die britischen Bluesrocker von Free und Bad Company. Es schaffelt so vor sich hin. Brav und beflissen. Jeder Vorzieher akkurat, jede Note auf dem rechten Punkt. Makellos. Perfekt. Auch die Band.

„Oh Beautiful“ beginnt a cappella wie ein alter amerikanischer Folksong, erinnert vage an Ralph Stanley mit „Oh Death“. Dann kracht es wieder. Mit einem Riffzwitter aus Peter Greens „Oh Well“ und Led Zeppelins „Black Dog“, gespielt auf einer ebenfalls zwitterhaften Gitarre: Mit einem Firebird-Hals im Les-Paul-Körper.

Und gleich der nächste Gitarrenwechsel: Eine klassische schwarze ES-335, stilgerecht zum langsamen BB-King-Blues. Hübsch. Locker aus dem linken Ärmel geschütteltes Vibrato, bevor mit langem schwerem Bagger-Solo wieder alles überrollt und planiert wird. Zu "Ballad Of Joe Henry" noch mal kräftiges ledzeppelinienförmiges Geriffe, ein bisschen Bottleneck und finales Speedfiedeln. Joe Bonamassa Bluesrockflamme lodert hoch, brennt heiß und lässt trotzdem kühl. Vielleicht, weil das Feuer nicht von innen brennt. Es glänzt, aber strahlt nicht. Tosender Jubel nach zwei Stunden und einer Zugabe.

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