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Jubiläum einer Institution: Es lebe der Wettbewerb

50 Jahre „Jugend musiziert“ in Berlin: Gefeiert wird mit einem Festkonzert im Kammermusiksaal.

Zugegeben: Was flotte Sprüche anbetrifft, kann es der Wettbewerb „Jugend musiziert“ mit den grassierenden Casting-Shows nicht aufnehmen. Und locker aus der Hüfte geschossene Urteile jenseits der Beleidigungsgrenze hat Deutschlands größter Wettbewerb für den musikalischen Nachwuchswettbewerb auch nicht zu bieten. Dafür aber Preisträger, deren künstlerische Halbwertszeit sich nicht schon wenige Monate nach der Auszeichnung erschöpft hat.

Welche Bedeutung der Wettbewerb auch nach Jahren und Jahrzehnten für die Teilnehmer besitzt, das konnte die Pianistin Babette Hierholzer feststellen: Zusammen mit Anka Zincke genannt Sommer, die seit 2000 als stellvertretende Vorsitzende des Landesausschusses Berlin den hiesigen Wettbewerb organisiert, machte sie sich auf die Suche nach weiteren ehemaligen Berliner Bundespreisträgern, die bereit wären, das 50. Jubiläum des Wettbewerbs mit einem Kammermusikfest zu feiern. Mit beachtlicher Resonanz: Über 25 namhafte Musiker fanden sich bereit, am heutigen Samstag eine Hommage an „Jugend musiziert“ zu spielen – unter ihnen auch etliche Philharmoniker, die auch die Schirmherrschaft für die Aktion übernahmen.

Sein Gesicht hat der Wettbewerb, der unter der Trägerschaft des Deutschen Musikrats steht und sich in Regional-, Landes- und Bundesebene gliedert, in den fünfzig Jahren seines Bestehens langsam aber stetig gewandelt. So stand bei seiner Gründung noch der Gedanke im Vordergrund, jungen Nachwuchs für Symphonieorchester zu fördern. Erst nach und nach kamen zu Streichern und Bläsern auch weitere Wertungskategorien hinzu: So etwa 1970 das Klavier, 1971 das Akkordeon, 1980 Schlagzeug. Seit 1992 können sich auch angehende Sänger den Fachjurys stellen, wobei die Altersgrenze hier bei 27 Jahren liegt, während die Teilnahme für Instrumentalisten nur bis zu 20 Jahren möglich ist. Bei der Öffnung des Wettbewerbs über den Klassikbereich hinaus spielt Berlin eine besonders wichtige Rolle: Schon 2002 führte man hier auf Regionalebene eine Wertung für die türkische Laute Baglama ein. Auch die Popmusik wird inzwischen ernst genommen, die in Berlin seit 2006 Teil der Wertung ist, wobei hier seit 2012 auch Bands und Duos teilnehmen können. Deutlich gestiegen ist auch das Niveau – wozu auch die Leistungsbereitschaft vieler Familien mit asiatischem Migrationshintergrund beigetragen hat.

Auf dem Weg zum Berufsmusiker

So wichtig es für das Ansehen des Wettbewerbs ist, Spitzenmusiker hervorgebracht zu haben, so beschränkt sich seine Rolle nicht auf das Produzieren von Stars. „Der Wettbewerb hat ein Doppelgesicht“, sagt denn auch der Pianist und ehemalige Bundespreisträger Holger Groschopp, der am Jubiläumskonzert teilnimmt und regelmäßig als Juror beim Wettbewerb tätig ist: „Auf der Bundesebene ist es eine Begabtenauslese auf professionellem Niveau, aber regional ist es auch Breitenförderung und Breitenmotivation. Und dafür ist die föderale Struktur ganz gut: Die Motivation wird angemessen gewürdigt und wenn man dann eine Stufe höher scheitert, bedeutet es vielleicht auch keinen totalen Misserfolg.“ Zumal das Musikleben nicht nur von Berufsmusikern profitiert: Schließlich bilden viele ehemaligen Wettbewerbsteilnehmer später jenen Kern des gebildeten Publikums, ohne den eine Musikkultur nicht überleben kann.

Für seine eigene berufliche Entwicklung, so Groschopp, habe die Teilnahme an den Wettbewerben auf vielen Ebenen beigetragen: Man lerne nicht nur, sich realistisch einzuschätzen, sondern auch sich zu fokussieren, die Stresssituation eines Auftritts zu bewältigen. Und viel wichtiger als die Wertung sei das obligatorische Beratungsgespräch, in dem man nicht nur über musikalische Aspekte etwas lerne, sondern beispielsweise auch, wie man die Bühnenpräsenz verbessern könne. Und auch wenn das Bewerten von künstlerischen Leistungen immer fragwürdig sei – die Erfahrungen, die man mache, seien für einen Berufsmusiker unverzichtbar: „Die Wettbewerbssituation setzt sich ja auf anderer Ebene durch das ganze Leben fort. Man lernt, sich nicht darauf zu verlassen: Ich bin jetzt Berufsmusiker und jetzt habe ich meinen Beruf und spiele bis an mein Lebensende – egal wie.“

Für Berlin wird das Konzert im Kammermusiksaal nur der Auftakt der Feierlichkeiten zum 50. Jubiläum. Am 11. April begann auch der Ticketvorverkauf für „Das Fest – 50 Jahre Jugend musiziert. Von Schülern und Meistern“, das der Deutsche Musikrat gemeinsam mit dem Wettbewerb und der Sparkassen-Finanzgruppe vom 15. bis 18. August im Konzerthaus organisiert. Gibt es also eine Wettbewerbssituation zwischen den Konzerten? Vielleicht – aber damit können die Teilnehmer ja umgehen. Carsten Niemann

Konzert am heutigen Samstag, 19 Uhr

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