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© Thilo Rückeis

Jubiläum: Herr der Zugpferde

Der Kick sind die schwierigen Bücher: Wolfgang Hörner feiert mit Eichborn Berlin zehnjähriges Jubiläum.

Wolfgang Hörner wirkt sehr entspannt an diesem sonnigen Nachmittag. Seine vierjährige Tochter hat er gerade zu einem Kindergeburtstag gebracht, die Verlagsgeschäfte laufen auch mal ohne ihn, und das Wochenende war ein richtig gutes. Über seine Autorin Karen Duve standen zwei Geschichten in „FAS“ und „Spiegel“, gefolgt von Rezensionen ihres Romans „Taxi“ in der „Süddeutschen Zeitung“ und im Tagesspiegel, und all das schon vor Veröffentlichung des Romans diese Woche. „Bei so einem Buch muss das in dieser Form losgehen“, weiß Hörner, dann werde es womöglich gar ein Bestseller. Die Startauflage von 15 000 Exemplaren jedenfalls hat Hörner gleich um 10 000 weitere erhöht.

Seine Freude hat noch einen anderen Grund: Diese Woche feiert sein Verlag, der Verlag Eichborn Berlin, zehnjähriges Jubiläum. Und die Resonanz auf Duves Roman bestätigt ihn, auf einem guten Weg zu sein. Seinerzeit aber, als Hörner nach Berlin kam, gab es viel Ungewissheit und Skepsis bei den Branchenkollegen. Beim Frankfurter Eichborn Verlag hatte man sich überlegt, dass es gut wäre, einen Außenposten in Berlin zu haben, wollte allerdings nicht viel investieren. Der heute 43-jährige Hörner, der 1991 bei Eichborn als Praktikant anfing, später mit Lektoratsarbeiten unter anderem bei der Anderen Bibliothek beschäftigt war und schließlich zum Pressechef aufstieg, wurde nach Berlin beordert, „mit keiner besonderen Vorgabe, zumindest keiner, die kommuniziert wurde“. Als Ein-Mann-Unternehmen zog er in eine unbeheizte Dachkammer in der Kreuzberger Oranienstraße und tat sich in Folge im literarischen Lebens Berlin um – auf Empfängen, in Salons, bei Lesungen, immer einen Verlag repräsentierend, der zunächst nur aus ihm allein bestand.

Fragt man ihn nach seinen ersten Programmen, muss er länger überlegen. Dann steht er auf, geht in den langen, bis zur Decke mit Bücherregalen vollgestellten Flur seiner Friedrichshainer Wohnung und sucht nach Exemplaren aus der Eichborn-Berlin-Frühzeit. Den Durchbruch aber, den Zeitpunkt, an dem der Verlag auch ökonomisch auf sicherem Grund kam, weiß er genau zu benennen: Das war 1999, als er Karen Duves Debüt „Regenroman“ veröffentlichte. Der „Spiegel“ führte Duve anschließend unter dem Label „Fräuleinwunder“. Mit diesem Erfolg lockerte sich auch die inhaltliche Einflussnahme seitens des Frankfurter Haupthauses, die es in der Anfangszeit stets gegeben hatte. „Als es dann anfing zu funktionieren, wurde ich immer freier.“

Es funktioniert seitdem mit Autoren wie Duve, Jenny Erpenbeck und Sven Regener, dessen dritter Lehmann-Roman im September herauskommt. Doch richtig frei ist Hörner, wenn er Liebhaberprojekte wie Gustave Flauberts „Universalenzyklopädie der menschlichen Dummheit“ oder Lawrence Sternes „Tristram Shandy“ verlegen kann. „Der größte Kick ist für mich der“, so Hörner, „ein schwieriges Buch auch anständig zu verkaufen.“

Weshalb man in Hörner auch einen Büchermacher vor sich hat, der ganz klassisch, ganz unseldesk, Leidenschaft und Geschäft zu verbinden weiß. Der leuchtende Augen bekommt, wenn er von eben „Tristram Shandy“ erzählt, von Büchern über Bücher wie Detlef Opitz’ „Der Büchermörder“ oder Germar Grimsons „Hinter Büchern“, und dann wieder sagt: „Du brauchst einen Titel in jedem Programm, der zieht. Sonst schlafe ich schlecht und werde nervös.“

Hörner hat etwas von einem Erwachsenen, der am liebsten wieder ein selbstvergessen spielender Junge wäre, der um die Verlagsgeschäftsrealitäten weiß, sie aber nicht als das Nonplusultra anerkennt. So schätzt er es, bei seinem kleinen, auf fünf feste Mitarbeiter angewachsenen und inzwischen in der Oranienburger Straße in Mitte in vier (beheizten) Räumen residierenden Verlag weiterhin eine Art Mädchen für alles zu sein – „von der Postannahme bis zum verlegerischen Leiter“. Und so wehrt er sich geschickt dagegen, mit Eichborn Berlin ein Leuchtturm in einem Verlagshaus zu sein, das derzeit etwas schlingert, rote Zahlen schreibt und sich unter dem neuen Leiter Stephan Gallenkamp um Verschlankung bemüht: „Eichborn tut es gut, Geld zu verdienen“, sagt er nur verschmitzt, „da ist es gut, dass wir in diesem Jahr mit Erpenbeck, Duve und Regener drei Zugpferde mit neuen Büchern haben. Umstrukturierungsmaßnahmen betreffen uns nicht.“

Was nicht ganz stimmt, gibt es doch in Zukunft bei Eichborn nur noch ein Literaturlabel: Eichborn Berlin. Für einen Verlag, der 10 bis 15 Prozent des Eichborn-Gesamtumsatzes von 16 Millionen Euro macht, auch eine symbolische Aufwertung. Hörner will das aber nicht hoch bewerten: „Es macht ja Sinn, das zu bündeln. Viele Leute fragten sich ja sowieso, warum bestimmte Romane bei Eichborn und andere bei uns herauskamen.“

Geht es um das Zusammenspiel beider Verlage, überhaupt um das Wohlergehen des Stammhauses, gibt sich Hörner professionell reserviert. Lieber redet er über Bücher, die er gerne machen würde, aber nicht machen kann, auch über seine Tochter oder die Gentrifizierung Friedrichshains. Zum Abschied jedoch, praktisch mit Schließen der Wohnungstür, ist er wieder ganz der Verleger und Werber in eigener Sache. Da meint er noch sagen zu müssen: „Kümmert euch gut um den neuen Seyfried, das ist ein toller Roman über den Boxeraufstand in China!“

Am Sa 10.5., ab 20 Uhr, große Jubiläumsparty im Festsaal Kreuzberg, Skalitzer Str. 130, mit Karen Duve u. v. a.

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