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Nur Ben Shalom ist der Initiator der „Lebensmelodien“

© Foto: Kitty Kleist-Heinrich

Jüdische Musik in Deutschland: Zu neuem Leben erweckt

Die „Lebensmelodien“ erinnern an jüdische Musik, die zwischen 1933 und ‘45 erklang. Ein bewegendes Konzert in der Berliner Apostel-Paulus-Kirche.

Vor zwei Jahren hat Nur Ben Shalom sein Projekt gestartet, mitten in der Pandemie: Das erste Konzert der „Lebensmelodien“ konnte nur aus der menschenleeren Apostel-Paulus-Kirche in Schöneberg gestreamt werden. Am Mittwoch, beim mittlerweile elften Programm, ist das neogotische Gotteshaus an der Grunewaldstraße bestens gefüllt.

Es hat sich herumgesprochen, wie bewegend die Konzerte sind, die der Klarinettist, der vor 14 Jahren aus Tel Aviv zum Studium nach Berlin kam, mit seinen Musikerfreunden veranstaltet. Jüdische Musik, „die zwischen 1933 und 1945 gespielt, gesungen oder komponiert worden ist“ soll wiederentdeckt, zu neuen Leben erweckt werden.

Die Geschichten schmerzen und beschämen

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung fördert die „Lebensmelodien“, von der Friede Springer Stiftung wird das dazugehörige Bildungsprogramm in Schulen unterstützt. Die Konzerte sind mehr als reine Musikdarbietungen, weil alle Stücke im historischen Kontext verortet werden. Die jüdischen Einzelschicksale aus der Zeit des nationalsozialistischen Terrorregimes, von denen der Schauspieler Günter Schoß am Mittwoch erzählt, sind bitter, schmerzen, beschämen.

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So wie die Geschichte von Gottliebs Tochter, die mit acht Jahren Vollwaise wird, sich während der Kriegsjahre in der Ukraine allein durchschlagen muss, im Wald versteckt, und darüber die Sprache verliert. Erst, als sie es schafft, ein jiddisches Lied zu singen, das sie als ganz kleines Mädchen gelernt hat, findet sie sich selbst wieder, ihre Identität.

Isidoro Abramowicz, der Kantor der jüdischen Gemeinde in der Pestalozzistraße, gestaltet mit ausdrucksstarken Melismen einen liturgischen Gesang, interpretiert aber auch zwei weltstädtisch-lässige Salonmusik-Stücke einer ungarischen Pianistin und Komponistin.

Die Arrangements für das sechsköpfige Ensemble stammen von Michael Cohen-Weissert, der auch am Flügel sitzt, Klarinette und Geige teilen sich die meisten Soli, aber auch das Cello hat seine Auftritte.

Weit gespreizt ist das Stimmungsspektrum, da gibt es Klagegesänge und ausgelassene Tänze, ernste Kammermusik nach Art von Johannes Brahms, gefühlvolle Kantilenen, mitreißende Klezmer-Klänge. Die ganze Vielfalt des jüdischen Lebens in Deutschland scheint auf an diesem Abend, exakt 84 Jahre nach der verheerenden „Reichspogromnacht“ vom 9. November 1938.

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