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Kultur: Judith Weir will Märchen erzählen

Judith Weir wirkt eher wie die freundliche, manchmal ein wenig streng blickende Dame von nebenan, die im Alltagsleben ihren Mann steht.Doch der Erfolg der britischen Komponistin beruht nicht zuletzt auf den märchenhaften, magischen Sujets ihrer Opern.

Judith Weir wirkt eher wie die freundliche, manchmal ein wenig streng blickende Dame von nebenan, die im Alltagsleben ihren Mann steht.Doch der Erfolg der britischen Komponistin beruht nicht zuletzt auf den märchenhaften, magischen Sujets ihrer Opern."Mir ist es wichtig, mit meiner Kunst etwas zu erzählen, und Märchen sind schon von der Form her oft ideale Geschichten - im Spannungsverlauf, in der linearen Struktur." Für ihre Werke bedeutet das keinesfalls Simplizität - gerade umgekehrt geht es um den komplexen Zusammenhang zwischen Mythos und modernem Alltag, Intuition und Rationalität.Ihre dritte Oper, "Der blonde Eckbert" nach einer Erzählung von Ludwig Tieck, läßt in der neuesten Inszenierung durch die Hochschule der Künste - bereits die fünfte! - gewiß märchenhaft-romantisches Flair erwarten, zumal im phantasievollen, mit wenigen Mitteln zaubernden Bühnenbild von Beatrice Schultz."Andererseits", betont Judith Weir, "handelt es sich um die ganz alltägliche Eifersuchtsgeschichte eines vereinsamt lebenden Paares, gar nicht lustig".Das Märchen mit seinen rätselhaften Elementen ist so eher die exotische "Hülle" eines Beziehungsdramas, dessen unterschwellige, von dunklen Vorgeschichten genährte Spannung durchaus an "Psycho"-Schocker à la Hitchcock denken läßt.

Immer wieder neu und anders "markiert" die Komponistin ihre Klangsprache mit solchen entlegenen, den Kern der Aussage verschleiernden und bereichernden Elementen.Durchaus Verfremdung im Sinne Bertolt Brechts betreibt sie, wenn sie in ihrem ersten Bühnenwerk "A Night at the Chinese Opera" auf chinesisches Theater des 12.Jahrhunderts zurückgreift.Ihr Kammermusikstück "I Broke off a Golden Branch" ("Ich brach einen goldenen Zweig") entwickelt in der Besetzung des Schubertschen "Forellenquintetts" einen verblüffenden "Schubert-Sound" bei völlig anderem Ausdruck."Ich liebe die romantische Musik sehr, und obwohl ich natürlich etwas ganz Neues zu machen glaube, bin ich nicht böse, wenn meinen Stücken Ähnlichkeit mit ihr nachgesagt wird." Rückwärtsgewandtheit ist ihr vorgeworfen worden, doch darauf reagiert sie gelassen."Neu ist schließlich auch, etwas Altes in neue Zusammenhänge zu stellen und damit etwas zum zeitgenössischen Leben auszusagen."

Von ihren Vorbildern, wie ihrem Lehrer John Tavener, aber etwa auch vom mährischen Komponisten Leos Jancek - "auch aus einem kleinen Land" - übernahm sie dabei Methoden, nicht Ergebnisse."Nicht so sehr der Stil Janaceks fasziniert mich.Es ist vielmehr seine Art, die unmittelbare Umgebung zur Quelle der Musik zu machen." Davon soll ihr eigenes Stück "Musicians Wrestle Everywhere" im Gastkonzert der Londoner Royal Academy of Music im Podewil eine Kostprobe geben.

Mit diesem Ansatz, der auch verschiedene Formen von Volksmusik einbezieht, ist die Professorin an der Aberdeen University und derzeitige "composer in residence" bei Simon Rattles "City Orchestra of Birmingham" durchaus "very british" - spätestens seit Benjamin Britten pflegt die "Insel-Musik" eine kompromißbereite Modernität und stärkte auch nach dem Motto "back to the roots" die Emanzipation vom kulturell übermächtigen Kontinent.Doch exakt aus diesem Grunde ist die in ihrer Heimat mehrfach mit Preisen ausgezeichnete und auch in den USA erfolgreiche Komponistin in Deutschland noch kaum bekannt.Ihr deutsche Märchen-Oper schlägt da vielleicht eine Brücke, und auch die flankierenden Konzerte und Workshops innerhalb dieses umfangreichen Porträts der HdK in Zusammenarbeit mit dem British Council könnten da Abhilfe schaffen.Daß ausgerechnet Studenten das gewiß nicht einfache "Eckbert"-Projekt ausarbeiten, findet Judith Weir "very exciting", ist doch die Pädagogik für sie ein weiteres wichtiges Arbeitsfeld: "Es ist gut, wenn Professionelle und Amateure zusammenarbeiten - ein bißchen in der Tradition von Hindemith, der ja auch in Berlin lehrte.Durch die Pädagogik ist meine Musik vielleicht verständlicher geworden, aber nicht wirklich einfacher in der Struktur.Denn sich seinem Publikum zu sehr anzupassen ist eine gefährliche Position."

"Der blonde Eckbert" 27.6.-1.7., Theater- und Probensaal Fasanenstraße, 20 Uhr.28.6., 11 Uhr HdK Wandelkonzert.29.6., 20 Uhr Podewil, Royal Academy of Music London.30.6., 10 Uhr Composer-Workshop mit Jolyon Brettingham-Smith im Institut für Neue Musik.

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