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Author Salman Rushdie

© IMAGO/UPI Photo

Salman Rushdie erhält Friedenspreis: Ein Kämpfer für die Freiheit des Denkens und der Sprache

„Wörter sind die einzigen Sieger“: Der britische Schriftsteller Salman Rushdie bekommt zu Recht die höchste Auszeichnung des Deutschen Buchhandels. Ein Porträt.

Nachdem Salman Rushdie am 12. August des vergangenen Jahres bei einer Veranstaltung im Bundesstaat New York niedergestochen und lebensgefährlich verletzt worden war, wurden kurz danach Forderungen laut, ihm den Literaturnobelpreis zu verleihen. Die Schwedische Akademie wollte dem nicht nachkommen, sie lässt sich seit jeher höchst ungern ihre Entscheidungen von außen diktieren.

Ganz ohne Druck aus der Öffentlicheit hat sich nun der Stiftungsrat des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels dazu entschlossen, Salman Rushdie den diesjährigen Friedenspreis zu verleihen, zufällig am Tag seines 76. Geburtstages. Rushdie bekommt ihn am 22. Oktober in der Frankfurter Paulskirche zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse.

Meisterwerk „Mitternachtskinder“

Natürlich ist diese Entscheidung keine besonders originelle. Aber es ist die richtigste, naheliegendste, im Grunde zeitgemäßeste, die der Stiftungsrat treffen konnte. Denn wie es in der Begründung heißt: „Seit seinem 1981 erschienenen Meisterwerk ,Mitternachtskinder“ beeindruckt Salman Rushdie durch seine Deutungen von Migration und globaler Politik.“ Genau das sind seine Bücher: Migrationsromane, Romane, die von unserer globalen Gegenwart erzählen, selbst wenn sie, wie zuletzt sein wunderbarer Roman „Victory City“, im 14. bis 16. Jahrhundert angesiedelt sind.

Nun ist der Friedenspreis kein literarischer Preis, sondern einer, der Künstlerinnen und Künstlern verliehen wird, die sich zuvorderst mit ihren Arbeiten um den Frieden und die Völkerverständigung verdient gemacht haben. Allein seiner unfreiwillig bemerkenswerten Vita wegen ist Rushdie da ein idealer Preisträger.

Zwei Anschläge auf sein Leben haben ihn zu einem passionierten Anwalt für die Freiheit des Denkens und die Freiheit der Sprache gemacht, zu einem Verfechter für eine freie, friedliche Welt überhaupt. Den ersten, folgenreicheren Anschlag verübte im Januar 1989 der Ajatollah Chomeini, als er wegen seines Romans „Die satanischen Verse“ gegen Rushdie eine Fatwa verhängte und Kopfgeld auf ihn aussetzte.

Rushdie musste fortan im Untergrund leben, in ständiger Angst. Er wurde zu einem „unsichtbaren Mann mit einer gesichtslosen Maske“, wie er in seiner Biografie „Joseph Anton“ geschrieben hat. Aber er wurde auch zu einem Mann, der dann sein Leben dem Kampf für die Meinungsfreiheit widmete, der sich in seinen Schriften unermüdlich gegen religiöse Fundamentalisten und deren vernunftlose, zweifelsfreie Glaubensgewissenheiten zur Wehr setzte. Und das nicht nur in seinen Büchern: Von 2004 bis 2006 war Rushdie Präsident des PEN-American-Center, und zehn Jahre lang saß er auch dem PEN World Voices International Literary Festival vor.

Rushdie verlor ein Auge

Dass er weit über dreißig Jahre nach der Fatwa dann tatsächlich deren Opfer wurde, so unklar die Motive des Täters immer noch sind, zu einer Zeit, als die Sicherheitsvorkehrungen für ihn lange nicht mehr so streng waren, müsste man als Ironie des Schicksals verstehen, wenn es nicht so fürchterlich wäre. Rushdie überlebte den Anschlag mit schweren gesundheitlichen Schäden, er verlor ein Auge und hat neurologische Ausfälle in seinem linken Arm und seiner linken Hand.

„Was morgen passiert, ist wichtiger als das, was gestern war“, hat er in seinem ersten Interview nach dem Attentat gesagt, um sich bald wieder in der Öffentlichkeit zu zeigen, seinen Roman „Victory City“ zu bewerben oder sich für die Meinungsfreiheit einzusetzen. Diese sei, so Rushdie, „die Freiheit, von der alle anderen Freiheiten abhängen“.

Der letzte Satz von „Victory City“ wiederum heißt: „Worte sind die einzigen Sieger“. Für das ungewöhnliche Leben und Werk von Salman Rushdie gilt das allemal. Dass Orhan Pamuk, nachdem er 2005 den Friedenspreis erhalten hatte, ein Jahr später auch den Literaturnobelpreis zugesprochen bekam, und Rushdie genau das auch passieren könnte, ist noch einmal eine andere Geschichte.

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