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Kultur: Katrin Scholz leitet das Kammerorchester

Vier altbekannte Paukenschläge weisen dem Klassik-Fan den Weg: Hinter dieser Tür muss es sein, wo das Kammerorchester Berlin Beethovens berühmtes Violinkonzert probt. Doch wer neugierig in den Ferenc-Fricsay-Saal im Haus des SFB schaut, dem fällt auf, dass etwas anders ist als sonst: Es fehlt der Dirigent.

Vier altbekannte Paukenschläge weisen dem Klassik-Fan den Weg: Hinter dieser Tür muss es sein, wo das Kammerorchester Berlin Beethovens berühmtes Violinkonzert probt. Doch wer neugierig in den Ferenc-Fricsay-Saal im Haus des SFB schaut, dem fällt auf, dass etwas anders ist als sonst: Es fehlt der Dirigent. Statt dessen sind die Augen der Musiker allein auf die Violin-Solistin gerichtet. Denn die Virtuosin Katrin Scholz ist zugleich künstlerische Leiterin des Ensembles. Eben brilliert sie noch mit einem berauschenden Solo, da bricht sie plötzlich ab. Die Streicher haben rhythmisch ungenau begleitet: Noch einmal, bitte!

Keine Frage: die zierliche, 30 Jahre junge Frau ist ein Profi mit guten Nerven. Vier Jahre ist es her, dass Katrin Scholz die künstlerische Leitung des Ensembles übernommen hat. Eine Herausforderung für die Solistin aus Kleinmachnow, die damals gerade erst ihr Konzertexamen abgelegt hatte. Katrin Scholz galt schon seit längerem als ausgemachtes Talent: Mit fünf Jahren hatte sie sich der Geige verschrieben, war vom Unterricht in der Musikschule bis zu ihrem Studium an der Hochschule für Musik "Hanns Eisler" im musikalischen Ausbildungssystem der damaligen DDR nach Kräften gefördert worden. Nun sollte sie, die bislang kaum Dirigiererfahrungen hatte, dem traditionsreichen Kammerorchester zu einem künstlerischen Neuanfang verhelfen.

In den fünfzig Jahren seines Bestehens war das Orchester in Ehren ergraut: Unter Helmut Koch hatte sich das Ensemble besonders mit Aufführungen und Einspielungen Alter Musik einen Namen gemacht. Kochs Nachfolger Vittorio Negri und Peter Schreier führten die Tradition weiter. Doch nach dem Umbruch der Musikszene im vereinigten Berlin hieß es, sich mit dem drastisch verjüngtes Ensemble aus gut dreißig Musikern auf dem Markt der nicht subventionierten Berliner Kammerorchester zu behaupten.

Jetzt, drei Konzertsaisons und eine CD-Produktion sämtlicher Mozart-Violinkonzerte später, scheint das Ensemble in sicherem Fahrwasser. Wie gelingt einem das, und was ist für eine gefragte Solistin der Reiz an dieser Aufgabe? Etwa der Kick, als Solistin und künstlerische Leiterin gleich doppelt im Rampenlicht zu stehen? Nein - Katrin Scholz nennt als die wichtigste Motivation vielmehr den Spaß am gemeinsamen kammermusikalischen Musizieren. Die meisten Ensemblemitglieder spielten im Hauptberuf in den großen sinfonischen Orchestern der Stadt mit - und nun hatten sie die Gelegenheit, in kleinerem Kreis und mit größerer musikalischer Verantwortung Musik zu machen.

Wenn auch ein Beethovensches Violinkonzert keine Kammermusik im engeren Sinne ist, kann man es ohne Dirigenten nur mit kammermusikalischer Geisteshaltung überzeugend spielen. In der Probe scheint das zu gelingen: Da pflanzen sich die Körperbewegungen der Solisten in dezentem Swing über das ganze Ensemble fort und die Blechbläser halten sich auch ohne dräuenden Taktstock vornehm zurück, um der Virtuosin nicht buchstäblich in den Rücken zu fallen. Natürlich ist Katrin Scholz nicht in jedem Konzertstück die Solistin: Wenn auf das Violinkonzert Beethovens zweite Sinfonie folgt, leitet sie ihr Ensemble vom ersten Geigenpult aus. Und manchmal gibt die vielbeschäftigte Musikerin die Stabführung auch an Gastdirigenten ab. Das Ensemble profitiert von den Impulsen und Scholz findet Zeit, die sie für ihre weiteren Engagements braucht, denn neben ihrer Solistenkarriere ist sie seit 1998 auch Professorin an der Bremer Musikhochschule.

Die Vielfalt ihrer Aktivitäten empfindet sie nicht als Belastung, sondern als "geistige Erfrischung". Dabei hilft ihr, die Ineffizienz und unnötiges Üben hasst, ein gesunder Pragmatismus. Der zeigt sich auch in der Programmgestaltung: Publikumsrenner dürfen und müssen sein, und das Weihnachtskonzert wird, wie es sich gehört, barocklastig und trompetenschmetternd daherkommen. Der Kick für die Kenner liegt im Detail: Man darf spekulieren, ob das Ensemble eine vom ersten Pult geleitete Beethovensche Sinfonie meistern wird, ob es Bachs berühmter Orchestersuite vielleicht doch neue Seiten abgewinnen kann, oder ob die Musiker mit dem ins Programm eingestreuten unbekannten Largo von Tartini sogar Händels gleichnamigem Hit Konkurrenz machen werden.Das nächste Konzert des Kammerorchesters Berlin mit Werken von Ludwig van Beethoven findet am Freitag, 19. 11., um 20 Uhr im Konzerthaus statt.

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