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Die amerikanische Musikerin Kimya Dawson.

© Promo

Kimya Dawson live in Berlin: Vampire am Lagerfeuer

Die amerikanische Singer-Songwriterin Kimya Dawson gab im Roten Salon der Volksbühne ein intimes Konzert. Heute Abend tritt sie noch einmal dort auf.

Der unfassbarste und unwirklichste weibliche Popstar des Planeten ist derzeit wohl Beyoncé. Stellt man sich das Gegenteil dieses cyborgartigen Wesens vor, dann kommt man ungefähr auf Kimya Dawson, und das ist keineswegs despektierlich gemeint. Eine unverstelltere, ehrlichere, authentischere Performerin als die Mitvierzigerin aus New York ist jedenfalls kaum vorstellbar.

Bei ihrem Konzert im Roten Salon der Volksbühne, den sie immerhin zwei Tage hintereinander ausverkauft hat, kommt bald das Gefühl auf, dass man gerne mit dieser Frau befreundet wäre. So nahe kommt sie einem durch all die Geschichten aus ihrem Leben, die sie während des Auftritts erzählt. Bei einer Show von Beyoncé passiert so was eher nicht.

Kimya Dawson sitzt auf einem Stuhl, in ihren mit Tattoos übersäten Armen hält sie eine wild bekritzelte, schrabbelige Akustikgitarre. Mit ihrer brüchigen Stimme und ein paar Akkorden erzählt sie Storys im Songformat.

Dazwischen nimmt sie sich viel Zeit, um in ihre Lieder einzuführen. „Dieser Song handelt von einer Phase in meinem Leben, in der es mir nicht besonders gut ging“, sagt sie etwa oder erinnert sich daran, wie sie mit Popmusik sozialisiert wurde. Dazu gehörten die Musik von Sting oder „Purple Rain“ von Prince. Der junge, halb nackte Prince räkelt sich dann auch in einer seiner aufreizendsten Sexy-Motherfucker-Posen auf einer Leinwandprojektion hinter ihr. Auch in queeren Kreisen, denen Kimya Dawson entstammt, ist Prince eine Ikone.

Der "Juno"-Soundtrack machte Kimya Dawson bekannt

Die Amerikanerin liebt krude Geschichten, in denen Vampire und Fantasiewesen vorkommen. Und Tiere. Nach dem Konzert kann man von ihr gemalte Bilder kaufen, bunte Tierzeichnungen, kaum teurer als eine Platte. Die beste aller Geschichten ist jedoch ihre eigene. Bekannt wurde sie Anfang der nuller Jahre als Teil der Moldy Peaches, dem Traumpaar des sogenannten Anti-Folk, einer New Yorker Bewegung, die den guten alten Folk der Marke Pete Seeger gehörig aufmöbeln wollte. Lange hielt es nicht mit den Moldy Peaches. Ihr Duopartner Adam Green wurde zum David Hasselhoff des Anti-Folk – in Deutschland ein Star, in den USA kennt ihn kaum jemand –, und ein paar der zerbrechlichen Dawson-Songs landeten auf dem Soundtrack des Films „Juno“. Kimya Dawson wurde über Nacht zu einem kleinen Star. Oder, passender zu ihrem Anti-Folk: zu einem Anti-Star.

Völlig versunken klampft sie sich durch ihre Songs, kaum anders als jemand, der am Lagerfeuer in kleiner Runde zur Akustischen greift. Die Bühne scheint sich aufzulösen, aus Kimya Dawson wird schnell Kimya. Die Frau ist sogar wer in Hollywood, aber man merkt es ihr eben kein Stück an.

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