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Jentsch

© Realfiction

Schicksalsschläge: Hinter Glas

In ihrem Seelendrama komponiert Regisseurin Malgorzata Szumowska elegische Trauerbilder. Ernst: "33 Szenen aus dem Leben" mit Julia Jentsch.

Das tapfere Mädchen. So kennt man Julia Jentsch seit „Sophie Scholl“, als unbeugsame blutjunge Frau, die radikal an ihrem Schicksal reift. In der deutsch-polnischen Koproduktion „33 Szenen aus dem Leben“ ist sie eine Extremistin der Gefühle: eine labile Kindfrau, von Krisen geschüttelt, mal hysterisch, mal lethargisch, mal albern, mal aggressiv.

Julia heißt auch Jentschs Figur. Aufstrebende polnische Künstlerin, nette Familie, Dokumentarfilm-Papa, Schriftsteller-Mama, launische Schwester, dazu Piotrek, der allzeit vergnügte Komponisten-Gatte, und Adrian, der treue Kumpel und Assistent. Nach der Krebsdiagnose der Mutter endet das Weihnachtsfest im Chaos, die Mutter stirbt, der Vater säuft sich in den Infarkt, Julias Welt bricht zusammen. Die polnische Regisseurin Malgorzata Szumowska hat selbst innerhalb von sechs Monaten beide Eltern verloren.

In ihrem Seelendrama, das zeitgleich mit Caroline Links Familientrauerfilm „Im Winter ein Jahr“ und eine Woche vor dem Mutterverlustfilm „Novemberkind“ ins Kino kommt, komponiert Szumowska elegische Trauerbilder. Ihre Lieblings-Entfremdungsmetaphern sind Gesichter hinter Fensterglas und Gestalten im Türrahmen – Momente des Übergangs, des Verlassenseins. Der Film will aber auch das Unkontrollierbare von Gefühlen zeigen: den Sex, in den Julia sich flüchtet, das Lachen im falschen Moment, das vom Schmerz deregulierte, ins Groteske verzerrte Verhalten.

Wer leidet, hat sich nicht im Griff. Ingmar Bergman oder der polnische Existentialist Krzysztof Kieslowski haben in diesem Wissen meisterliche Filme gedreht. Malgorzata Szumowska will es ihnen gleich tun; ihr Ehrgeiz verdient Respekt. Aber sie überfordert ihre Hauptdarstellerin, spätestens wenn Julia auch noch hilflos zwischen den Männern, Piotrek und Adrian, zu schwanken beginnt. So zeichnet sich zwischen den mit Neuer Musik angereicherten Schwarzblenden keine tiefenscharfe Szenenfolge „aus dem Leben“ ab, sondern nur das geschmäcklerische Porträt einer tapfer posierenden Tragödin.

Blow Up, Eiszeit, Neue Kant Kinos

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