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© Fox

Kino: Das Glück des bösen Mannes

Irre komisch, komisch irre: "Bad Lieutenant", Werner Herzogs drogensattes Abel-Ferrara-Remake, startet im Kino. Nicolas Cage bringt hier endlich wieder seine sehr spezielle Schauspielmethode passend ein: Er übertreibt maßlos, und das ist gut so.

Sollen sie doch alle in der Hölle krepieren! Abel Ferrara tobte, als herauskam, dass es ein Remake seines „Bad Lieutenant“ geben würde: Das ist Diebstahl! Noch irritierender war der Name desjenigen, der da Hand anlegen wollte. Solche Auftragsarbeiten galten bislang nicht unbedingt als Domäne des eigensinnigen Deutschen Werner Herzog.

Die Handlung von „Bad Lieutenant – Cop ohne Gewissen“ kommt tatsächlich daher wie die Blaupause eines Noir-Thrillers: Terence McDonagh (Nicolas Cage) plagen heftige Rückenschmerzen, die er nicht ausschließlich mit Medikamenten betäubt. Trotz seiner Drogensucht ist er der beste Mann im Morddezernat von New Orleans. Eine Familie wurde ermordet, McDonagh will die Tat dem Drogendealer Big Fate (Xzibit) nachweisen – und dabei ordentlich Kokain für sich selbst abgreifen. So verliert er sich in einen Sog aus Drogen, Korruption und Wettschulden und bringt auch seine Freundin Frankie (Eva Mendes) in Gefahr.

Ist also ausgerechnet Werner Herzog unter die Genre-Filmer gegangen? Der rastlose „Löwe des Neuen Deutschen Films“, der sogar Klaus Kinski bezwang und zuletzt mit faszinierenden Dokumentarfilmen überraschte?

Anders als Wolfgang Petersen oder Roland Emmerich (und bald wohl Florian Henckel von Donnersmarck) hat der gebürtige Bayer nie, wie er selbst sagt, seine „Kultur verlassen“, um Teil des Hollywood-Systems zu werden. Er behauptet sogar, die nihilistischen Thriller der Siebziger nicht zu kennen. „Taxi Driver“? Nie gesehen! „Chinatown“? Wenn überhaupt, dann lange her. Also ließ er sich von William M. Finkelstein, Serienautor für „LAPD Blue“ und „Law and Order“, ein Drehbuch schreiben, das die Geschichte des Cops ohne Moral von New York nach New Orleans verlegt. Und machte sich das Ding einfach zu eigen.

Schlangen gleiten durchs Flutwasser, Leguane machen es sich auf dem Wohnzimmertisch gemütlich, Alligatoren verursachen tödliche Kollisionen auf der Autobahn – schlingernde Amphibien wie McDonagh selbst. Der weiß sich auf beiden Seiten des Abgrunds zwischen Gesetz und Verbrechen zu bewegen.

Gesetzlose, aber prinzipientreue Männer stehen ihm gegenüber. Doch weder Gangster noch Dienstaufsicht können viel ausrichten: McDonaghs Spiel ist nicht zu durchschauen, weil er es selbst nicht durchschaut. In diesem Universum, im Chaos nach Katrina, ist er damit der Überlebensfähigste; hier gibt er seinen Dämonen Futter, hält das Fieber wach. Wenn er sich aus Notlagen befreit: Ist es Zufall, oder hat er tatsächlich eine Falle gestellt?

McDonagh ist eine Figur ganz nach Herzogs Geschmack. Laster und Wut wühlen in seiner Seele – eine schlimme Mischung, die in Fieberstufen vor sich hin köchelt. Er schläft wenig, die Wahrnehmung trübt sich ein: Wer sich ihm in den Weg stellt, wird zum Feind, und Feinde werden hart angegangen, selbst wenn es eine zerbrechliche Alte im Rollstuhl ist. Die Frau ist die Oma eines Kongressabgeordneten. Noch mehr Ärger.

Gipfel der Ruchlosigkeit: McDonagh hetzt Drogenbosse gegeneinander. Dem einen will er einen Mord anhängen, den anderen muss er loswerden, weil er Schulden bei ihm hat. „Schieß noch einmal!“, ruft er, als einer zu Boden geht, „seine Seele tanzt ja noch!“ Und tatsächlich, sie tanzt. Breakdance auf dem Teppich des Drogendealers.

Nicolas Cage hat hier endlich wieder Gelegenheit, seine sehr spezielle Schauspielmethode passend einzubringen. Vom körperlichen Tick ausgehend, erschafft er seine Figur; er übertreibt dabei maßlos, und das ist gerade gut so. Getrieben, traurig, überspannt, die eine Schulter nach vorn geschoben, die andere nach oben, seine Stirn in Furchen, so schiebt er seine gebeugte Statur voran, die massive 44er Magnum immer schön sichtbar vorn in den Hosenbund gesteckt. Mal lacht er hysterisch, mal schiebt sich ein anzügliches Grinsen in sein hängendes Gesicht, ein irres Leuchten in die hervorstehenden Augen. Es ist das Glück des Bösen, das McDonagh dann geistesabwesend genießt – und die absonderliche Komik dieser Glücksmomente, von Herzog und Cage lustvoll zelebriert, ist von einer Tonart, wie sie kein anderer Regisseur so hinbekäme.

Selten hat es so viel Freude gemacht, einem korruptem, egoistischen, halluzinierenden, gierigen Polizisten bei seinem Tagwerk zuzuschauen. Werner Herzogs Versuch eines Thrillers ist höchst eigenartig und doch hochgradig unterhaltsam: Wie Seilartisten balancieren er und sein Hauptdarsteller über dem Abgrund zwischen Genre-Konvention und Crack-Delirium, halten den Film bis zu seinem grell übersteuerten Happy End (wenn es denn eines ist) in einem schwer zu fassenden Ungleichgewicht.

„Bad Lieutenant“ à la Herzog: Ein Film wie ein Musikstück, das man zu kennen glaubt, aber auf Teufel komm raus nicht einordnen kann. Ein Film Noir in völlig neuer Gestalt: als Komödie des Wahns.

Cinemaxx, Cinemotion Hohenschönhausen, Cinestar Hellersdorf, Colosseum, Kant; OV im Eiszeit

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