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Clooney

© Constantin

''Michael Clayton'': Der Totalschadensbegrenzer

Tony Gilroys Regiedebüt "Michael Clayton" ist ein intelligenter und melancholischer Thriller aus dem Anwaltsmilieu. George Clooney entsorgt darin die Probleme dubioser Klienten.

Ich bin Shiva, Gott des Todes! Arthur Edens (Tom Wilkinson), Staranwalt einer großen Edelkanzlei in New York, ist offenbar verrückt geworden: Während einer Zeugenvernehmung macht er sich nackt bis auf die Socken, ruft wirres Zeug, läuft anschließend lachend auf die Straße. Die Kanzlei schickt ihren „Fixer“, um das Problem zu lösen: Seit vielen Jahren beseitigt Michael Clayton (George Clooney) den Schmutz reicher Klienten, bevor der zu stinken beginnt. Seine neue Aufgabe fällt ihm allerdings nicht leicht: Er muss Arthur zum Schweigen bringen und den langjährigen Freund zugleich beschützen. Denn es geht um viele Milliarden Dollar in einer Sammelklage gegen „U/North“, einen Chemiekonzern, dessen Schädlingsvernichtungsmittel Hunderten von Farmern den Krebstod brachte – und Karen Crowder (Tilda Swinton) von U/North will den Prozess unter allen Umständen schnell wieder unter Kontrolle bringen.

„Michael Clayton“ wirft den Zuschauer ohne Exposition in die Handlung. Anderswo kann das zu Konfusionen führen – in den Händen des erfahrenen Drehbuchautors Gilroy („Die Bourne Verschwörung“), der hier erstmals auch Regie führt, wird daraus ein elektrisierendes Erlebnis. Eigentlich liegt dem Film eine recht simple Geschichte zugrunde; was die Sache aufregend macht, sind die Aktionen der drei Hauptfiguren – vor allem jene, die in der Vergangenheit liegen und die Entscheidungen von heute bestimmen. Der Rechtsstreit David gegen Goliath ist nur das Gerüst für drei Porträts von Menschen innerhalb eines amoralischen Systems: Jeder drückt sich auf seine Weise durch den Schlamm.

Arthur Edens ist brillant, Michael Clayton talentiert, Karen Crowder verbissen. Edens hat eine Erleuchtung und wendet sich gegen die Eigenen: Wie ein weiser Narr mischt er das System von innen mit Chaos und Poesie auf. Michael Clayton dagegen muss zur Einsicht getragen werden und kämpft dann mit seinen eigenen, etwas leiseren Mitteln. Seine Gegenspielerin Karen Crowder ist ein Monster: Schon zu Anfang sieht man sie keuchend, schwitzend, eingepfercht in die Toilettenkabine wie ein Tier. Im Schlafzimmer probt sie ihrer Texte, wickelt sich in ihr Geschäftskostüm wie in eine Rüstung – und zeigt dabei eine furchterregende Unsicherheit: Macht in den Händen einer Unsicheren bringt das Schlimmste hervor (Swinton wurde dafür mit dem Oscar als beste Nebendarstellerin belohnt). Für Männer gilt: An wen man sich auch wendet, man kann nie sicher sein, ob Freund oder Feind. Karen Crowder hat niemanden, an den sie sich wenden kann.

Herzstück des Filmes ist Tony Gilroys exzellentes Drehbuch; man kann sich gar nicht satthören an diesen Dialogen, deren dunklen Glanz sogar das deutsche Synchronisationswesen nicht ganz auslöschen kann. Gilroy charakterisiert seine Figuren nicht über Worte, sondern über die Entscheidungen, die sie treffen – oder besser: über ihre Reaktionen. Hier kann George Clooney seine Stärke ausspielen: mit maskuliner, leicht steifer Körpersprache, vor allem aber mit seinen Augen zeigt er Clayton als einen selbstsicheren Mann, dem es zunehmend schwerfällt, den wachsenden Ekel vor sich selbst und dem eigenen Leben zu ignorieren. Nur Details verraten, dass Clayton nicht wirklich über Killerinstinkt verfügt – seine Unsicherheit etwa gegenüber Firmengründer Marty Bach (Sidney Pollack), obwohl er nach 17 Jahren als Ausputzer die ganze Firma mit seinem Wissen erpressen könnte. Clooney hat alle Routinen der TV- und Theaterschauspielerei hinter sich gelassen, er zwingt jeden Gesichtsmuskel zu teils kaum mehr sichtbaren Kleinstverschiebungen. Kein anderer Darsteller ist sich seiner Wirkung auf der Leinwand heute so bewusst wie er.

Ursprünglich hatte Clooney gar keine Lust, mit einem Debütanten zu arbeiten. Im Gegenteil: Gilroys Drehbuch gefiel ihm so gut, dass er selbst Regie führen wollte. Gilroy aber gab nicht nach, und so gingen Jahre ins Land, bevor die beiden sich trafen und mit den Filmen der siebziger Jahre eine gemeinsame Liebe entdeckten. Zusammen mit Steven Soderbergh betreibt Clooney die Produktionsfirma „Section Eight“, und wie „Syriana“ oder „Good Night, and Good Luck“ ist auch „Michael Clayton“ ein Kind dieser Passion – mit seinen vielschichtigen, zweifelnden Figuren und einer sehr zurückhaltenden Regie. Aufregend aber, wie hier mit Kamera und Licht gearbeitet wird: Vor allem Clooney verwächst geradezu mit den tiefen Schatten in den spärlich beleuchteten Gängen, Büros und Hotelzimmern. Eine Farbpalette, aus der Gelb- und Rottöne ganz verschwunden sind, und die unterschwellig pulsierende Musik von James Newton Howard tauchen den Film in trübe, angespannte Melancholie.

Einziger Schwachpunkt ist der Showdown, arrangiert wie in einer schlechten alten „Columbo“-Folge. Für ein derart sauberes Happy End kommt Claytons Wandel viel zu spät: Seine Einsicht ist kurz und schmerzvoll, nicht erlösend. Im allerletzten Augenblick, der Abspann hat schon begonnen, huscht ein wenig Frieden über Claytons Gesicht. Er bringt allerdings nicht mal ein Aufbäumen der Mundwinkel zustande; nur eine kurze Entspannung um die Augen herum, es ist wohl der musculus orbicularis oculi.

In 16 Berliner Kinos; OV im Cinestar Sony-Center

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