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Kino

© Warner

Speed Racer: Gib Gas, ich will Spaß

Naiv, kitschig, laut – und rauschhaft: "Speed Racer" der Wachowski-Brüder ist Kinetik pur.

Freiheit für die Pixel! Immer länger werden am Filmende die Listen jener, die für Trick und Animationen zuständig waren. „Pixel Liberation Front“ nennt sich einer der Betriebe, die auch bei „Speed Racer“ ihre Rechner im Spiel hatten. Frei sind die Bildpunkte allerdings keineswegs. Denn was hat man bislang schon groß mit den Mitteln des digitalen Kinos angestellt? Dinosaurier, Riesenroboter oder Monsterstürme hat man entstehen lassen. Comics kopiert, Stunts simuliert, Schönheitsfehler retuschiert.

Dabei wäre doch so viel mehr möglich mit den neuen Spielzeugen der Effektschmieden; wie viel mehr, davon gibt der neue Film der Wachowski-Brüder immerhin einen Eindruck. Vergessen wir die beiden grandios misslungenen Fortsetzungen ihrer „Matrix“-Reihe: Mit „Speed Racer“ erweitern Andy und Larry Wachowski die Sprache des Effektkinos bis an den Rand des Abstrakten. „Zeit und Raum der Kamera“, so sagt ihr Trickkünstler John Gaeta, „lösen sich von Zeit und Raum der Subjekte.“ Ganz schön viel für einen Kinderfilm.

Grundlage ist die japanische Trickserie „Mach GoGoGo!“, die das US-Fernsehen in den Siebzigern als „Speed Racer“ ausstrahlte. Im Mittelpunkt steht das Familien-Rennunternehmen „Racer“ mit den Eltern Pops (John Goodman) und Mom (Susan Sarandon), den Söhnen Speed, Rex und Chitle sowie dem Schimpansen Chim-Chim. Speed (Emile Hirsch) ist ein Virtuose auf der Piste. Royalton Industries, ein Riesenkonzern in der Stadt Cosmospolis, will ihn folglich als Fahrer abwerben. Doch Speed schlägt das lukrative Angebot aus und bringt damit den Konzern-Chef gegen sich auf. Die Rennen, so stellt sich heraus, sind manipuliert. Mit vereinten Kräften stemmt sich Familie Speed gegen eine Verschwörung, die für ihren kleinen Rennstall das Ende bedeuten könnte.

„Speed Racer“ ist ein ausgelassener Familienfilm, der in einer rauschhaft stilisierten Optik die Bildwelten von Comic und Computerspiel zusammen bringt. Quietschbunte Renn-Boliden wirbeln durch atemberaubende Rennsequenzen wie die Artisten einer ausgeklügelten Kampfkunst-Choreografie. Die Regeln der Physik sind außer Kraft, Perspektiven dehnen, stauchen und krümmen sich, überall strahlt und blinkt es, Fahrspuren lösen sich im Pixelnebel auf. Die Kamera fliegt ohne Widerstand durch eine phantastische Szenerie, getaucht in ein knallprallbuntes Farbfeuerwerk: Ein maßloser Film ohne Körnung und Textur, ein explodierendes Kaleidoskop mit übersättigten Farben und überhöhten Kontrasten – es ist Kinetik pur.

Dieser Auflösung von Perspektive und Schwerkraft stehen Szenen gegenüber, die als Tribut an die Ästhetik des alten Zeichentricks zu verstehen sind: Als man Filme noch mit der Hand zeichnete, wurde aus Kostengründen nicht jedes Einzelbild vollständig neu gezeichnet. Der Hintergrund, an dem sich wenig ändert, und der Vordergrund, in dem die Figuren sich bewegen, wurden als übereinander liegende Ebenen behandelt. „Speed Racer“ greift das auf: die künstliche Zweidimensionalität, damals aus der Trennung von Figur und Kulisse entstanden, wird übertrieben und stilisiert.

Die Hintergründe für ihr „poptimistic photo-anime“ ließen die Wachowskis draußen in der Realität fotografieren, auch im Ballsaal von Sanssouci und am Brandenburger Tor. „Speed Racer“ wurde mit neun Millionen Euro aus dem Deutschen Filmförderfonds unterstützt (das ist die höchste letztes Jahr aus dem neuen 60-Millionen-Topf vergebene Summe für einen Einzelfilm) und in Babelsberg gedreht; daher sind ein gutes Dutzend deutscher Filmgesichter darin auszumachen. In winzigen (Moritz Bleibtreu) und weniger winzigen Auftritten (Cosma Shiva Hagen), aber auch in regelrechten Nebenrollen (Benno Fürmann als „Inspector Detector“).

In Familienfilmen ist es üblich geworden, jede Alters- und Zielgruppe gezielt anzusprechen. Dieser waghalsige und zugleich altmodische Film dagegen verzichtet auf Ironie, Insider-Witze und Pop-Zitate: „Speed Racer“ ist naiv, kitschig, aufdringlich und laut, manchmal kindisch weit jenseits der Schmerzgrenze. Spaßbremsen werden einwenden: die Handlung sei dünn, die Dialoge schlicht, die Charaktere flach. Aber ja doch, genau so muss das sein! Hier zählen Spaß und Rausch allein.

In 19 Berliner Kinos; OV im Cinestar SonyCenter und Colosseum

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