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CITY Lights: Totengeläut und Trinkgelage

Jim Jarmusch, Sam Peckinpah und Barbara Loden: Silvia Hallensleben rühmt die Freiheit der Assoziation.

Jim Jarmuschs „The Limits of Control“ spaltet Kritik und Publikum – eine ungewöhnliche Position für diesen Regisseur, der bei aller Kohärenz seines Werks immer die Grenzen des Erwarteten ausreizt. Aus Anlass seines jüngsten Films sind derzeit einige der früheren Arbeiten wieder zu sehen – auch Dead Man (heute im Babylon Mitte und Donnerstag, Sonnabend, Sonntag im Lichtblick), der vielleicht als würdigster Vorläufer von Jarmuschs aktueller Dekonstruktionsarbeit gelten kann. Bereits dieser Film, vor 14 Jahren gedreht, arbeitet sich zeichensatt an cineastischen und zivilisatorischen US-Mythen ab: Der ferne Westen, in den die Eisenbahn den Helden William Blake vorbei an Monument Valley und verbrannten Indianersiedlungen bringt, ist eine verkommene Müllhalde, die nur rabiater Schusswaffengebrauch, fehlender Glaube und maschinenfauchende Frühindustrie vom stinkenden Mittelalter unterscheidet. Sie ist auch griffig zitatengespeiste Postmoderne: Jarmuschs Indianer ist ein oxbridge-studierter Pummel namens Nobody, der in Blake als Einziger den romantischen Dichter zu erkennen meint, dessen Namen er trägt. Doch unter dem harschen Totengeläut von Neil Youngs Gitarre lösen sich Zitate wie Westernmotive bald in einen elegischen Abgesang, der seine Sache ganz ernst meint. Und wie in „The Limits of Control“ kann der aus den Zwängen der Plotverwicklungen in die Freiheit der Assoziation entlassene Zuschauer entspannt in atmosphärischer Melancholie schwelgen.

So viel Freiheit ist nicht jedermanns Sache, wie die lebhafte Kritik bezeugt. Doch wer sich bei Jarmusch langweilt, mag sich vielleicht mit Sam Peckinpahs The Wild Bunch anfreunden – ein auf traditionelle Aktion zielendes Genre-Ding, das den Wilden Westen in Treffen schwadronierender Männer, Trinkgelage und Gemetzel auflöst. Der Film ist heute und morgen in der hier schon oft gepriesenen Magical History Tour des Arsenal zu sehen, die beim letztjährigen Programm-Relaunch moderat verändert wurde. Dabei wurde die Reihe gelockert und umgruppiert, das filmhistorisch chronologische Grundprinzip aber bleibt bestehen: Dieser Monat ist dem US-Kino der sechziger und siebziger Jahre gewidmet. Hier findet sich mit Barbara Lodens Wanda (Sonnabend und Dienstag) auch der Film, der das geschlechterpolitische Gegengewicht zu den Männerfilmen von Jarmusch und Peckinpah liefert – zum Glück fernab eines gutwilligen Emanzipationsstücks: Die Textilarbeiterin Wanda, von Loden selbst mit eisigem Understatement gespielt, lässt Mann und Kinder sitzen, nur um sich einem miesen Kleingauner anzudienen. So lässt sich das Werk von 1970 auch als eine frühzeitig hellsichtige Dekonstruktion des sogenannten Frauenfilms verstehen.

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