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CITY Lights: Vampire und andere Verbrecher

Dass es den Undergroundfilm überhaupt noch gibt, grenzt an ein Wunder. Frank Noack stellt Außenseiter der Filmlandschaft vor.

Die Kameras werden immer billiger, ihre Bedienung wird immer leichter. Jeder Amateur kann ungestört, frei von politischer oder kommerzieller Zensur, seine Filme drehen. Umgekehrt findet man auch im Mainstream verwackelte, überbelichtete Bilder. Was macht angesichts dieser Entwicklungen den Reiz von Carl Andersen aus, der zurzeit ein doppeltes Jubiläum feiert: 50 Jahre Mensch, 20 Jahre Filmemacher? Andersen profitiert davon, dass den meisten Amateurfilmern der lange Atem fehlt. Authentischer Underground ist rar geworden, daher handelt es sich bei 50 Jahre Anderground um mehr als nur ein Wortspiel. Andersen hält, in Deutschland jedenfalls, fast allein die Stellung. Die ihm gewidmete Retrospektive ist kein wehmütiger Blick zurück, da der Regisseur schon an einem neuen Werk mit dem Titel „Obsession“ arbeitet. Auf Fragen nach seiner Orientierung antwortete der gebürtige Wiener einmal: „Meine eigene Sexualität ist eher lesbisch.“ Davon zeugen seine von Frauen dominierten Filme. „Vampyros Sexos“ (1988) und „Mondo Weirdo“ (1989) standen am Anfang der Karriere; sein letzter Film hieß „Female Summer“ (2006) (Brotfabrik, ab nächste Woche auch Tilsiter Lichtspiele).

In der DDR waren die unangepassten Künstler fast immer Musiker oder Literaten. Eine Underground-Filmkultur konnte sich nie entwickeln. Dennoch gibt es subversive Momente im Defa- Film, und zwar dort, wo man sie am wenigsten vermutet: in der 1971 gestarteten Serie „Polizeiruf 110“. Krimiserien sind in der Regel konservativ; sie feiern den allmächtigen Staat, der jedem Verbrecher auf die Spur kommt. Aber wenigstens gaben die „Polizeiruf“-Folgen die Existenz von Verbrechen in der DDR zu. Keine kaltblütigen Mörder, die wurden totgeschwiegen, aber Einbrecher und Betrunkene, die Auto fahren. Diese Figuren konnten noch so unsympathisch gezeichnet werden, es bestand immer die Gefahr der Identifikation. In Der Schweigsame führt der Berufsverbrecher „Nolle“ ein Luxusleben mit dem Verkauf von gestohlenen Elektronikwaren, und in seiner Wohnung rekeln sich schöne halbnackte Frauen. Wer wurde da nicht neidisch? Ende 1980 abgedreht, ist die Folge erst im September 1981 ausgestrahlt worden (Sonnabend im Babylon Mitte, in Anwesenheit des Regisseurs Peter Vogel).

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