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Nachwuchstalent. Dirigent Thomas Guggeis bei einer Probe.

© Henning Kaiser/dpa

Klangflächen und Almwiesen: Die Staatskapelle in der Philharmonie

Beim Abonnementkonzert der Staatskapelle dirigiert Thomas Guggeis Stücke des 20. Jahrhunderts – von Ligeti, Ludowslawski und Strauss.

Da ist er schon wieder: Bei Komponisten nach 1945 ist es ja immer ein Ereignis, wenn überhaupt mal ein Werk von ihnen erklingt. György Ligeti fällt aus diesem Raster, er steht regelmäßig auf den Konzertprogrammen und gehört zu Recht zu den populärsten zeitgenössischen Schöpfern von Musik – weil er es geschafft hat, Intellekt, Konstruktion und Sinnlichkeit miteinander zu verzahnen.

Strukturierte und doch organisch wirkende Tontextur

Erst im Februar war sein Zehnminüter „Lontano“ (1967) bei der Biennale der Philharmoniker zu hören, jetzt in der Philharmonie schon wieder, mit der Staatskapelle Berlin. Es ist Musik, die mit Worten schwer einzufangen ist. Natürlich kann man von Klangflächen schreiben, Sekundreibungen und Energieballungen. Aber wie Ligeti hier eine zugleich strukturierte und doch organisch wirkende Tontextur geschaffen hat, das lässt sich eigentlich nur mit dem Ohr erleben.

Thomas Guggeis, Ex-Assistent von Daniel Barenboim an der Staatsoper, trägt dort den etwas hochmögenden Titel „Staatskapellmeister“. Doch sein Dirigat macht in der Tat Eindruck. Erst scheint er arg bedächtig zu Werk zu gehen, doch das ist wohl vor allem Ligetis sphärischer Musik geschuldet. Spätestens bei Witold Lutoslawskis Cellokonzert wird klar: Guggeis vereint Achtsamkeit mit Disziplin, pflegt einen Stil, der – wenn es so etwas gibt – auf eine harte Art behutsam ist. Dem Orchesterklang kommt es zugute.

Solist Nicolas Altstaedt setzt sowohl die virtuosen wie die scheinbar banalen Passagen des Stücks mit flirrendem Spiel um. Zu beobachten ist ein Individuum (Cello) im Ringen mit der Gemeinschaft. Es meldet sich zu Wort mit einem ostinaten D und ist danach quasi im Dauereinsatz, weshalb sein erstmaliges Schweigen im letzten Satz zu den beeindruckendsten Passagen des Stücks gehört. Schließlich kehrt es geläutert und deutlich kleinmütiger zurück.

Was ist nicht alles Gehässiges geschrieben worden über Richard Strauss‘ „Alpensinfonie“. Und es stimmt ja: Vieles ist tatsächlich „simples Nachbilden sicht- und hörbarer äußerer Sinneseindrücke“ (Hartmut Becker), anders als bei Mahler sind die Kuhglocken auf der Alm affirmativ gemeint, und die Windmaschine hätte es wirklich nicht gebraucht.

Aber wenn das alles so herzhaft und frei dahinfließt wie bei der Staatskapelle, mit einem nietzscheanisch-erhabenen Oboensolo auf dem Gipfel und einem Dirigenten am Pult, der bis in die Fingerspitzen elektrisiert ist – dann darf man auch mal alle Reflexion über den Wert von Programmmusik und absoluter Musik ausschalten und sich einfach den Bergwiesen überlassen.

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