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© Schirmer/Mosel

Klassik Stiftung: Manna in Weimar

Geld ist vorhanden, doch die Prioritäten sind umstritten. Die Klassik Stiftung sucht noch ihren Kurs.

Was tun, wenn unverhofft Geld vom Himmel fällt? 45 Millionen Euro hat der Bund, haben Kulturstaatsminister Bernd Neumann und die Bundestagshaushälter von ihren unlängst bewilligten 400 Millionen Euro Investitionsmitteln allein für Weimar reserviert. Doch statt eines Sofortprogramms ist aus Thüringen erst einmal Unfrieden zu vermelden.

Das Land ist nicht eben reich. Die Klassik Stiftung Weimar, sein größtes Kulturjuwel, musste sich in der Vergangenheit nach einer allzu kurzen Decke strecken. Der Brand der Anna-Amalia-Bibliothek am 2. September 2004 hat die Sorgen der Weimarer Schatzhüterin auf furchtbare Weise vor Augen geführt. Nur mit erheblichem Bundes- wie übrigens auch Bürgerengagement konnte der Wiederaufbau binnen dreier Jahre bewältigt werden.

Mit dem Berliner Geldsegen kann nunmehr auf ein Jahrzehnt hinaus geplant werden. Ungeklärt ist die Rangfolge der Prioritäten. Das von der Stiftung mit äußerster Dringlichkeit angemahnte Zentraldepot ist mittlerweile beschlossen. Kulturminister Jens Goebel (CDU) macht sich sodann für die Errichtung eines Bauhaus-Museums am Weimarer Theaterplatz stark. Bereits 2013 soll das Haus, das das bisherige Provisorium am selben Ort ersetzen soll, eröffnet werden. Doch beim Residenzschloss, dem Sitz der Klassik Stiftung und ihrer großartigen Kunstsammlungen, hält sich der Minister auffällig zurück. Anfang dieser Woche sprach er allein von der „Sanierung“ des Schlosses. Dabei soll nach den Plänen der Klassik Stiftung im piano nobile, wo Verwaltungs- und Depoträume die Schausäle bedrängen, ein Ausstellungsrundgang zum „Kosmos Weimar“ entstehen. Noch im Oktober hatte Neumann einen deutlichen Wink gegeben: „Sollten eines Tages die Pläne zu einem Ausbau des Weimarer Stadtschlosses zur ,Neuen Mitte’ der Stiftung ausgereift“ sein, sei er „aus Überzeugung bereit für eine Finanzierung dieses Vorhabens“. Die liegt jetzt auf dem Silbertablett bereit.

Das Schloss gehört zum Bestand der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten mit Sitz in Rudolstadt. Deren Direktor Helmut-Eberhard Paulus will das Eigentum am Schloss unter allen Umständen wahren; er sieht es als unverzichtbar für die Darstellung der Geschichte des einstigen Großherzogtums an. Klassik-Stiftungschef Hellmut Seemann beruft sich auf einen Wink aus der Landesregierung, dass die Eigentumsfrage unangetastet bleiben, er jedoch Haus- und Bauherr im Schloss werden soll. Er will die beiden 2003 unter einem Rechtsdach vereinten, aber dennoch nicht recht verbundenen Teilkomplexe seiner Stiftung, die Literatur- und die Kunstsammlungen, zur Darstellung der Weimarer Kultur von der Frühklassik zum Bauhaus verbinden. Dazu müsste das Schloss für 35 Millionen Euro grundlegend umgerüstet werden. Bislang dient es auch und mehr schlecht als recht als Aufbewahrungsort für wertvolle Bestände. Immerhin wurde beispielsweise Goethes „Faust“-Sammlung mittlerweile im neuen Tiefkeller der Bibliothek geborgen.

Die „Strukturkommission Zukunft Weimarer Klassik und Kunstsammlungen“, die der Wissenschaftsrat vor dreieinhalb Jahren zur Evaluation einsetzte, sprach sich ohne Wenn und Aber für die Übertragung des Schlosses auf die Klassik-Institution aus. Schlösser-Direktor Paulus prägte dagegen jüngst das markige Wort, „dass wir die Bastille halten“. Also keine Revolution in Thüringen?

Zumindest eine Reformation an Haupt und Gliedern hatte die Strukturkommission in ihrem 93-Seiten-Gutachten 2005 angemahnt. Seinerzeit betonte ihr Vorsitzender Klaus-Dieter Lehmann, es gebe „keine zweite Chance für Weimar“. Es sei dies überhaupt „die erste“, korrigierte ihn sanft Klassik-Lenker Seemann. Für ihn steht jetzt der Kraftakt des Landes im Vordergrund, sich zur Bereitstellung von fünf Millionen Euro jährlich verpflichtet zu haben, wenn auch aus haushaltsrechtlichen Gründen erst ab 2010. „Ich hätte das nicht für möglich gehalten“, staunt er, fügt jedoch hinzu: „Ohne Bundesinitiative wär’s kein Stück weitergegangen.“

Immerhin stehen der Klassik Stiftung zusätzlich vier Millionen Euro jährlich aus dem Betriebshaushalt zur Verfügung, der jüngst auf Neumanns Drängen ebenfalls erhöht wurde. Zusammen mit den jeweils 45 Millionen Euro von Bund und Land, so rechnet Seemann vor, stehen bis Ende 2017 nicht weniger als 130 Millionen Euro Baumittel zur Verfügung. Schneller könne ohnehin nicht gebaut werden: das Zentraldepot, die Sanierung des Goethe-Schiller-Archivs, der Umbau des Schlosses und das Bauhaus-Museum.

Das von der Gutachterkommission bereits vor zwei Jahren angemahnte Gesamtkonzept für die Bau- und Sanierungsvorhaben will Hellmut Seemann im Juni 2008 vorlegen. Für ihn hat gleich nach dem Depot der Ausbau des Residenzschlosses höchste Priorität. Der rührige „Förderverein der Weimarer Kunstsammlungen“ hingegen hat sich dem Bauhaus-Museum verschrieben. Immerhin kann der Verein auf das Kommissionsgutachten verweisen, das das Erscheinungsbild der derzeitigen Bauhaus-Dauerausstellung als „unzumutbar“ abgewatscht hatte. Nun, beruhigt Seemann, können beide Maßnahmen zeitgleich in Gang gesetzt werden: „Vor 2017 werden wir ohnehin nicht fertig.“

Der Bund hält sich aus dem Disput heraus. Thüringen, so heißt es kulturföderalistisch korrekt, sei „jetzt am Zug“. Mit dem vorweihnachtlichen Geldsegen sind nebenbei Gedankenspiele vom Tisch, die Klassik Stiftung ganz dem Bund anheimzugeben. Etwa nach dem Vorbild der Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Der Bund zahlt und bestimmt, und auch auf die Landespolitiker fällt ein Lichtstrahl vom Glanze des Geschehens. Solchen Glanz verbreitet das Weimarer Erbe von selbst. Es muss nur weiter aufpoliert werden.

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