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Klaus Staeck.

© ddp

Klaus Staeck: Zwei Beine – und ein preußisches Herz

Klaus Staeck war als einziger Westdeutscher nach der Wende Mitglied der Akademie der Künste der DDR und an den Verhandlungen über die Vereinigung der Akademien beteiligt. Ein Gespräch über ein "Gegenmodell zur Treuhand".

Herr Staeck, zur Wiedervereinigung gibt es ein schönes Plakatmotiv von Ihnen: eine Wurst, die sich aus einer Banane schält. Wie blicken Sie nach zwanzig Jahren ins gesamtdeutsche Land?

Alles in allem betrachte ich die Vereinigung als Glücksfall. Das hängt auch mit meiner Biografie zusammen. Ich bin mit 18 Jahren aus politischen Gründen aus Bitterfeld geflüchtet und konnte jahrelang meine Familie nicht sehen. Die Teilung war immer ein anormaler Zustand. Was das Prozedere der Vereinigung betrifft, stehe ich allerdings bis heute im Widerspruch zu so manchem Politiker.

Vor der Frage, ob jetzt zusammenwachsen soll, was zusammengehört, standen 1990 auch die Berliner Akademien der Künste in Ost und West. Was war Ihre Rolle in dieser Zeit?

Ein halbes Jahr vor dem Zusammenbruch der DDR wurde ich korrespondierendes Mitglied der Ost-Akademie und nach der Wende Vollmitglied. Als einziger Westdeutscher kam ich in die sogenannte 20er-Kommission, die auf Ostseite die Verhandlungen zur Vereinigung führte. So wurde ich Teil der deutsch-deutschen Akademiegeschichte. Auf diese Weise kam mir eine Art Emissär-Rolle zu. Heiner Müller, damals Präsident der Ost-Akademie, fragte: Was wollen denn die Westler? Und auf Westseite fragte Walter Jens: Was wollen die Ostler? Das war eine ungeheuer spannende Zeit, aber auch ein mühsamer Weg bis zur Vereinigung.

Ein Spiegel der Wiedervereinigung?

So hätte es sein können. Walter Jens sagte treffend: Die Vereinigung der beiden Akademien war ein Gegenmodell zur Treuhand. Nicht Abwicklung Ost oder Übernahme West, sondern gleichberechtigte Vereinigung im Wortsinne.

Heiner Müller hatte zunächst unter dem Titel „Bautzen oder Babylon“ für eine europäische Künstlersozietät plädiert. Eine verpasste Chance?

Nein. Müller schwebte tatsächlich vor, zunächst beide Akademien aufzulösen und eine neue europäische Akademie zu gründen. Da war ich nun als Jurist erfahren genug, zu bedenken: was wird zum Beispiel aus den kostbaren Schätzen in den Archiven beider Akademien? Und als beim damaligen Kultursenator Ulrich Roloff-Momin eine Liste von Leuten kursierte, die eine solche neue Akademie gründen sollten, habe ich Müller gefragt: Du glaubst doch nicht, dass wir darin noch vorkommen? Schließlich hat er von dem Plan abgelassen.

Stattdessen wurde die Ost-Akademie mit verringerter Mitgliederzahl unters Dach West geholt. War das wirklich ein Zusammenschluss auf Augenhöhe?

Es gibt kleine und große Künstler, kleine und große Menschen. Augenhöhe ist ein Begriff, den ich nicht so strapazieren würde. Aber Müller und Jens waren tatsächlich die treibenden Kräfte dieser Vereinigung – gegen enormen Druck von außen und innen. Wie es in einem FDJ-Lied so schön heißt: „Du hast ja ein Ziel vor den Augen“. Das hatten sie. Was im Osten stattfand, war eine Art Selbstreinigung. Auf der Ostseite traten mehrere belastete Mitglieder freiwillig aus, aber auch unbelastete. Auch auf der Westseite gab es Austritte von jenen, die die ganze Vereinigung nicht wollten

Ob die Ost-Akademie ein Konformistenverein war, darüber wurde auf beiden Seiten erbittert diskutiert.

Sie war jedenfalls kein Hort der Stasi. Ich habe seinerzeit gesagt: Wenn doch ein schwarzes Schaf unter uns ist, holt es früher oder später sowieso der Wolf. Der Wolf kam aber nicht.

Auch für die West-Akademie stellte sich damals die Sinnfrage.

Die Sinnfrage kann man immer stellen. Und sie wurde ja nachdrücklich gestellt, als Adolf Muschg Ende 2005 das Amt als Präsident vorzeitig aufgab. Das war schon eine wirkliche Krise. Aber durch die Arbeit, die wir in den letzten Jahren geleistet haben, hat sich in der öffentlichen Meinung diese Diskussion erledigt.

Wann hatten Sie das Gefühl, der Vereinigungsprozess der Akademien sei abgeschlossen?

Nach meiner Überzeugung: Als wir begonnen haben, das neue Gebäude am alten Standort Pariser Platz mit Leben zu erfüllen. Gegen die Zweifel, die gelegentlich noch geäußert werden, verteidige ich unseren „Glaspalast“ als großartigen öffentlichen Ort im politischen Herzen der Republik. Mit Blick auf den Reichstag, die Banken, auf die Charité.

Also hat man mit dem Düttmann- und dem Behnisch-Bau zwei Beine – und ein preußisches Herz?

Das gilt ja auch für mich. Ich habe mich immer als sozialdemokratischen Preußen bezeichnet, freilich nur, was die Tugenden betrifft. Wir haben stets für beide Häuser gekämpft, weil sie ganz unterschiedlich bespielbar sind und einen ganz verschiedenen Charakter haben.

Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns in ihnen, sagte Walter Jens 1990. Hat das für Sie einen erschreckenden Beiklang?

Nein. Aber ich bin auch kein Anhänger des Biermann-Satzes: „Nur wer sich ändert, bleibt sich treu“. Das könnte auch Motto aller Opportunistenvereine sein.

Das Gespräch führte Patrick Wildermann.

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