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Rudy Giuliani am Jahrestag von 9/11.

© REUTERS

Kolumne „Spiegelstrich“: Der Gockel Rudy

Giuliani war einst als „America’s Mayor“ eine Berühmtheit, dann diente er sich Trump an. Eine Biographie holt ihn endgültig vom Sockel.

Von Klaus Brinkbäumer

Klaus Brinkbäumer ist Programmdirektor des MDR in Leipzig. Sie erreichen ihn unter Klaus.Brinkbaeumer@extern.tagesspiegel.de oder auf Twitter unter @Brinkbaeumer.

Das Leben ist nicht immer gerecht, aber auf einmal ruft es „Seht her“ und bestraft Rudy Giuliani. Und wir lernen: Nicht alles ist verloren, denn manchmal wird ein Mann ohne Skrupel ja doch erwischt; vielleicht geschieht es Jahre später, doch nicht jeder Gangster kommt durch.

Giuliani, damals Anwalt und Berater Donald Trumps, war in der Wahlnacht von 2020 betrunken, ging zum Weißen Haus und riet Trump, die Niederlage nicht anzuerkennen, weil die Wahl verschoben sei. Giuliani war der Trumpflüsterer, ist mitverantwortlich für zwei Amtsenthebungsverfahren, für den Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021, dafür, dass die Demokratie der USA heute wankt.

Giuliani war auch, lange her, New Yorks Bürgermeister am 11. September 2001. Er war dort, am World Trade Center, und als der zweite Turm fiel, rannte Giuliani um sein Leben. Danach blieb er dort, tröstete, sprach im Staub von Ground Zero: „We are more determined than ever to live our lives in freedom.“ Präsident George W. Bush, auf Reisen und schwer erreichbar, ließ jene Lücke, die Giuliani füllte. „America’s Mayor“, das sagte Oprah Winfrey, und dann stand „Bürgermeister Amerikas“ in so gut wie jeder Geschichte über Giuliani.  

Nun gibt es einen weiteren Text, eine Biografie, Andrew Kirtzmans „Giuliani: The Rise and Tragic Fall of America’s Mayor“, und wir lesen, dass Giulianis New Yorker Jahre ein wenig trüber waren als die Heldenerzählung. Als harter Führer, als Sicherheitsgarant inszenierte sich der Mann, aber seine Cops waren rassistisch.

Und Giuliani wusste, welche technischen Schwächen und Eifersüchteleien Kommunikation und Koordination der Stadt lähmten, und tat nichts. Obwohl also die Polizei an jenem Morgen des 11.9. berechnet hatte, dass der Nordturm demnächst einstürzen müsse, sagten andere Polizisten den Eingeschlossenen via Telefon: „Bleibt, wo ihr seid.“ Feuerwehrleute, die hineingelaufen waren, erhielten nie den Befehl, das Gebäude zu evakuieren. Allein 121 Feuerwehrleute starben im Nordturm.

We are more determined than ever to live our lives in freedom.

Rudy Giuliani, Bürgermeister von Ney York, nach dem Attentat auf das World Trade Center

Inszenierungen können stärker als Wirklichkeiten, durchaus jahrelang. America’s Mayor lebte bestens von seinem Namen, von der Sehnsucht der USA nach Stärke und Kraft. 8 Millionen Dollar nahm er 2002 für Reden ein, 2004 verdiente seine Anlageberatungsfirma 84,7 Millionen Dollar, 2007 hatte Giuliani ein Vermögen von 30 Millionen Dollar. Für Geld, Macht und noch ein wenig mehr von beidem verkaufte er sich selbst und den hehren Ruf: Iranische Milizen, Pharmakonzerne, Gestalten aus Katar mit Verbindungen zum 11. September wurden seine Klienten; und Trump.

Heute ist Giuliani dreimal geschieden, einsam und pleite, das schreibt Kirtzman. Trump habe die Rechnungen nicht bezahlt, und Giuliani, so der „New Yorker“, habe nicht gesehen, dass Loyalität in der Trumpwelt eine Einbahnstraße sei.

Zuletzt trat Giuliani als Hahn verkleidet in „The Masked Singer“ auf

All die Ermittlungen werden gefährlich. In Georgia, wo Giuliani das Wahlergebnis annulieren und umkehren wollte, dürfte er demnächst angeklagt werden. Seine New Yorker Anwaltslizenz gilt schon nicht mehr.

Was für eine Figur ist Amerikas Bürgermeister geworden. Als er schwitzte, tropfte ihm das Färbemittel aus den Haaren. Als er Neues von der verschobenen Wahl verkünden wollte, wurd’s bloß ein Pressekonferenzchen auf dem Parkplatz eines Supermarktes in Pennsylvania. Und weil er Geld braucht, trat er in „The Masked Singer“ auf, als Hahn verkleidet, und sang „Bad to the Bone“.

Ich möchte nicht behaupten, dass Giulianis Geschichte trösten könnte, wenn wir in diesen Tagen an Wladimir Putin denken. Das Leben allerdings kann jahrelang ungerecht sein, doch das Leugnen von Niederlagen verzeiht es selten.  

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