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Krzysztof Penderecki beim Dirigieren.

© dpa

Krzysztof Penderecki zum 80.: Kein Leben im Elfenbeinturm

Mit seinen Hörern zu kommunizieren ist Krzysztof Penderecki immer wichtiger gewesen, als ein Leben im Elfenbeinturm der Kunst zu führen. Am 23. November feiert der polnische Komponist seinen 80. Geburtstag.

Die Geschichte, wie er zum ersten Mal ins Licht der Öffentlichkeit trat, erzählt Krzysztof Penderecki immer noch gerne. Als Assistent an der Musikhochschule Krakau nimmt er 1959 am Wettbewerb des polnischen Komponistenverbands teil – unter drei verschiedenen Namen, mit drei verschiedenen Werken. Eines schreibt er mit links, um das Schriftbild zu verändern, eines mit rechts, das dritte kopiert ein Freund für ihn. Am Ende gehen alle drei ersten Preise an Penderecki, der damit schlagartig bekannt wird und einen Reisepass erhält.

Diesem furiosen Auftakt fühlt sich der Komponist auch mit 80 Jahren noch nah. Er arbeitet meist an mehreren Werken parallel, um jeden Tag das machen zu können, worauf er Lust hat. Nein, Penderecki ist kein Anwalt der reinen Lehre, es geht ihm um unmittelbare Wirkung auf seine Hörer.

Sein Stück „Anaklasis“, das Streichercluster effektvoll mit wirbelndem Schlagwerk verbindet, sorgt 1960 in Donaueschingen für ein gewaltiges Echo. Bislang hatte dort die serielle Nachkriegsaskese vorgeherrscht. Noch triumphaler der Erfolg seines den Opfern von Hiroshima gewidmeten Werkes „Threnos“ 1961 beim Warschauer Herbst. Pendereckis stilistische Unbefangenheit und seine Lust an der großen Form zeigt sich spätestens 1966 mit seiner Lukas-Passion, die aus dem gesamten Reichtum der Musikgeschichte schöpft. Im kommunistischen Polen ist sakrale Musik verboten, Penderecki weiß: Ich muss sie schreiben. Kein Komponist der Moderne – abgesehen von Oliver Messiaen – widmet ihr mehr Aufmerksamkeit. Stanley Kubrick entdeckt den polnischen Komponisten für den nervenaufreibenden Soundtrack von „Shining“.

Penderecki unterrichtet in Essen, Berlin und den USA, seinen polnischen Wurzeln aber bleibt er immer treu. In der Nähe von Krakau erwirbt er ein Landgut und schmuggelt in seinem Koffer kleine Bäume in die Heimat. Heute kann der rüstige Meister durch seinen 30 Hektar großen Park schlendern, in dem 1700 verschiedene Baum- und Straucharten wachsen. „Bäume sind gute Geister“, berichtet er im zärtlichen Dokumentarfilm „Wege durchs Labyrinth“ von Anna Schmidt, dessen Fernsehfassung der MDR heute um 23.30 Uhr zeigt.

Dass Penderecki stets auf eine Musik von großer Resonanz achtet und bald neoromantisches Terrain erreicht, trägt ihm auch Spott erklärter Avantgardisten ein. Den die „tonalen Paarhufer anführenden Herrn Penderadetzky“ nennt Helmut Lachenmann ihn einmal. Publikum und Solisten dagegen verehren seine sonore Menschlichkeit: Anne-Sophie Mutter schwärmt ebenso für Krzysztof Pendereckis Werke wie der Radiohead-Gitarrist Jonny Greenwood, der mit ihm ein Album eingespielt hat. Zu kommunizieren ist Penderecki wichtiger, als den Elfenbeinturm zu hüten.

Und so hat er sich zum 80. Geburtstag selbst das größte Geschenk gemacht: Unweit seines Arboretums entstand auf einem Acker das European Krzysztof Penderecki Music Centre. Der Musiknachwuchs soll hier mit renommierten Solisten zusammenkommen und seine Fähigkeit entwickeln können – natürlich grenzüberschreitend. Ulrich Amling

Werke von Penderecki spielen Mitglieder des Orchesters der Deutschen Oper heute, Samstag, 19.30 Uhr in der Tischlerei.

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