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Reste einer Aufführung. „The Foyer, Rabcio Puppet Theater, Rabka-Zdrój, Poland“ (2013) von der polnischen Künstlerin Paulina Olowska.

©  Me Collectors Room

Kunst aus Polen und vom Balkan: Zurück im Fokus

Die Art Collection der Telekom zeigt im Me Collectors Room in der Auguststraße Künstler aus Polen und vom Balken wie Zofia Kulik, Danica Dakic und Paulina Olowska.

Früher war alles einfach. Es gab die Telekom als Monopolisten der hiesigen Telekommunikation. Und es gab Künstler wie Mario Merz, Daniel Buren, Markus Lüpertz oder A. R. Penck, die maßgebliche Strömungen in der Kunst seit den sechziger Jahren verkörperten. Da passt es zum Selbstverständnis, wenn sich ein repräsentativer Konzern für die repräsentativen Maler und Bildhauer interessiert. 1995 stattete es die gerade neu gebaute Zentrale der Telekom in Bonn aus. Mit zwei der ebenso charakteristischen wie unvermeidlichen Iglus von Merz, einer In-Situ-Arbeit von Daniel Buren, mit Wandgemälden von A. R. Penck und „Titanen“ von Markus Lüpertz.

Jetzt ist ein Teil der Art Collection Telekom unterwegs. Ihre Reise führt sie in den Berliner Me Collectors Room von Thomas Olbricht und erlaubt erstmals einen Blick auf die Unternehmenssammlung. Bloß von den alten Heroen ist nichts zu sehen. Stattdessen tauchen Namen wie Zofia Kulik auf, die 1947 in Breslau geboren wurde. Danica Dakic, Jahrgang 1962, ist vertreten und die aus Danzig stammende Paulina Olowska. Eine Zäsur, begleitet vom Statement, die Art Collection Telekom werde seit vier Jahren aufgebaut. Die Gelder aber stammen aus den Neunzigern, in denen man wie die meisten Unternehmen zum Zweck der kulturellen Distinktion gekauft hat – und sich nun von Exponaten trennt, um eine Neupositionierung vorzunehmen.

Der Eiserne Vorhang marginalisierte Künstler

Das geschieht selten, ist überaus sehenswert – und verdankt sich zu einem erheblichen Teil den Kuratoren Nathalie Hoyos und Reinald Schumacher. Sie haben die Perspektive des Konzerns in eine andere Richtung gelenkt. Es geht um den Blickwechsel gen Osten, in die gewachsenen Kunstszenen Polens, der Türkei oder der tschechischen Republik. Aber auch in jene künstlerischen Enklaven, wie sie aus unserer Sicht Albanien, Rumänien oder Mazedonien nach 1945 darstellen.

Die Verschiebung findet jedoch nicht allein geografisch statt, sie berührt auch die Inhalte. So werden junge Künstler, auf die man sich im Auswahlgremium geeinigt hat, über einen längeren Zeitraum begleitet und ihre Arbeiten kontinuierlich angekauft. Gleichzeitig interessiert man sich für die Protagonisten einer Generation, die wie Merz oder Buren zur Avantgarde der sechziger Jahre zählte. Der Eiserne Vorhang ließ sie dann an den Rand der westlichen Kunstgeschichte rutschen und marginalisierte Künstler wie Stanislaw Drózdz (1939–2009), dessen konkrete Poesie in den seriellen Blättern „Algebra of Prepositions“ (1987) zu sehen ist. Oder auch den 1947 in Belgrad geborenen Mladen Stilinovic, einen Vertreter der sogenannten Neuen Kunstpraxis, der sich in seinen absurden Arbeiten mit der eigenen Rolle innerhalb der Gesellschaft auseinandersetzt.

Empathie ist typisch für die Arbeiten jüngeren Datums

Hilfreich für diesen Neustart war sicher das Interesse an osteuropäischer Kunst, das neuerdings in der Tate Modern oder dem Centre Pompidou eigene Abteilungen hervorgebracht hat. Doch handelt es sich dabei um Institutionen mit musealem Auftrag. Konzerne handeln im eigenen Interesse, und die Kuratoren muten etwa der Telekom einiges zu, wenn etwa auf einer großen Fotografie des Kroaten Igor Grubic wenig mehr als ein Mann zu sehen ist, der rauchend vor einer Hauswand sitzt – in Arbeitskleidung und den Konturen zweier Engelsflügel. „Angels with Dirty Faces“ (2008) heißt der Titel der Serie, mit der Grubic symbolisch jene kleinen Leute heraushebt, denen in der auseinanderbrechenden Republik Jugoslawien am übelsten mitgespielt wurde. Sie sind ohne Einfluss, konnten sich nicht wie so viele bereichern und stehen trotzdem wieder auf. Ungleich härter die Motive von Danica Dakic: Ihre fotografische Serie „Isola Bella“ fußt auf einem Projekt in einem Kinderheim nahe Sarajewo. Und von Erwachsenen, die schon als Kinder hierhin gekommen sind. Das Ergebnis sind surreale, verzweifelt traurige Porträts.

Empathie ist typisch für die Arbeiten jüngeren Datums, politische Statements ziehen sich durch die künstlerische Praxis aller Jahrzehnte. Ein eindringliches Exempel bieten jene Fotos, die Zofia Kulik zu Beginn der siebziger Jahre von sich gemacht hat. Gedacht als Abschlussarbeit an der Warschauer Kunstakademie, boten sie statt der verlangten Skulptur den echten Körper der Künstlerin. Inszeniert im Bikini, mit Sonnenbrille und kleinen Papierkegeln auf dem Körper. Zofia Kulik, deren Werk gerade erst wiederentdeckt worden ist, liefert schon im Titel die Interpretation: „Instead of Sculpture: Lady Halina and Cones“.

Von Fantasie getragene Lebensentwürfe

Repressionen, Krieg, Gesellschaft in der Auflösung: Was klingt wie das Setting für die depressive Seite der Kunst, entpuppt sich als Basis sensibler, konstruktiver und oft von Fantasie getragener Lebensentwürfe. Sie spiegeln sich im Titel der Ausstellung „Fragile Sense of Hope“, der dem gleichnamigen Werk von Šejla Kameric entlehnt ist. 2013 reflektierte die aus Bosnien stammende Künstlerin noch einmal die Belagerung ihrer Heimatstadt Sarajewo und schuf höchst ästhetische Bilder aus Glas, die gitterartig mit Blattgold überzogen sind. Sie erinnern an die Spuren auf den Fenstern, die zum Schutz während der schier unglaublichen 1420 Tage von den Bewohnern Sarajewos zugeklebt worden waren.

Me Collectors Room, Auguststr. 68; bis 23.11. Di–So 12–18 Uhr

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