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KUNST Stücke: Revier markiert

Nicht nur Roman Polanski geriet in letzter Zeit ins Netz der eidgenössischen Grenzwächter. Den Künstler Att Poomtangon bekamen sie bei der Reise in die entgegengesetzte Richtung dran: Er wollte ohne Reisepass über die Schweiz in die USA und wurde zwei Tage festgehalten.

Nicht nur Roman Polanski geriet in letzter Zeit ins Netz der eidgenössischen Grenzwächter. Den Künstler Att Poomtangon bekamen sie bei der Reise in die entgegengesetzte Richtung dran: Er wollte ohne Reisepass über die Schweiz in die USA und wurde zwei Tage festgehalten. Für den zu Höflichkeit und Respekt erzogenen Thailänder war der Auftritt der fremden Behörde ein Schock. In seiner ersten Berliner Einzelausstellung bei den Kunstagenten (Linienstraße 155, bis 5. Dezember) schickt er einen Gruß zurück: Ein Hund aus Kunstharz hebt unbekümmert an der Galeriewand das Bein (7000 Euro). Manchmal, sagt Poomtangon, wünscht er sich, einer der Straßenhunde in seiner Heimat zu sein: Bein hoch, Revier markieren, fertig. Dabei vergrößert der Meisterschüler von Tobias Rehberger derzeit auf allerfreundlichste Weise sein Revier. In Frankfurt flutete Att Poomtangon den Portikus zum Paddeln. In Venedig lud er die Biennale-Gäste unter einen Sonnenschutz aus bunten Tüchern. Auf dem Art Forum lehnte er Treibholz mit geschnitzten Teufelsfüßen an die Kojenwand, ein Gruß an Goethes’ Faust. Lange Recherchen gehen in Poomtangons Arbeiten ein, dennoch sind seine Installationen unmittelbar erfahrbar. Honigduft lockt in den hinteren Raum, wo ein Traummenü aufgetischt ist. Auf Baumstümpfen ruhen Früchte aus Kunstharz und Schichten aus Sesam, Anis und Süßkartoffel. Um während seines Studiums an der Städelschule selbst etwas zu essen zu haben, musste Poomtangon bei McDonald’s kochen, sozusagen in der Höllenküche des westlichen Imperialismus. Mit der poetischen Arbeit „Fast Food“ setzt er ihr Ernährungsideale seiner Heimat entgegen (18 000 Euro).

Fortschrittsskepsis und die Sorge um Umwelt und Zusammenleben verbindet Poomtangon mit der jungen Vietnamesin Tiffany Chung, deren erste Einzelausstellung in Europa bei Christian Hosp zu sehen ist (Invalidenstraße 50–51, bis 12. Dezember). Chung übermalt Stadtgrundrisse mit ornamentalen Flechten. In der Mitte der Halle ragt ein Baum aus Plastik, weißem Latex und Plüschbommeln in die Höhe, Bote einer gentechnisch veränderten Natur (12 000 Euro). Auf Fotoprints gruppiert sie Cosplay-Rollenspieler in Science-Fiction-Kostümen vor Bürogebäuden zu Posen nach Art kommunistischer Propagandamalerei und überführt deren Erlösungsikonografie zynisch auf den westlichen Kapitalismus. Nach zwanzig Jahren in Los Angeles lebt die Künstlerin selbst wieder in Ho-Chi-Minh-Stadt, als bekannteste Vertreterin einer noch kleinen Künstlerszene. Die überfrachtete Ausstellung zeugt allerdings davon, dass hier eine vielversprechende Künstlerin noch dabei ist, ihre Position zu finden. Wie sich höchste Handwerkskunst mit konzeptueller Schärfe kombinieren lässt, könnte sie von Att Poomtangon lernen.

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