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Dicker Brummer. In Miami präsentiert sich Kunst im öffentlichen Raum im XXL-Format. Foto: Reuters

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Kunstmarkt: Schluss mit Plüsch!

Hier kauft Hollywood: die 10. Art Basel Miami Beach und die Design Miami nehmen Abschied von der Bling-Bling-Kunst. Und draußen scheint die Sonne über weißen Stränden.

„Oh my God, it’s William!“ ruft die alterslose Lady und eilt auf die Koje der britischen Galerie Stephen Friedman zu. Sekunden später steht sie vor dem britischen Thronfolger aus Wachs – und könnte ihn für 95 000 Dollar auch gleich mit nach Hause nehmen. An seiner Ärmeljacke klebt ein Schmuckstück, das aussieht wie der Verlobungsring von Kate, und wer immer möchte, der darf seinen Finger hindurchschieben und sich mit der grinsenden Figur fotografieren lassen. So entsteht schon während der VIP-Eröffnung der Art Basel Miami Beach eine Galerie von Bildern, die William als hemmungslosen Bigamisten vorführt. Ein Seitenhieb auf den Kunstmarkt, der sich auf jeden zahlenden Gast einlässt? Die Künstlerin muss es wissen: Jennifer Rubell stammt aus einer der wichtigsten amerikanischen Sammlerfamilien und weiß, wie es sich anfühlt , wenn alle um einen buhlen.

Vielleicht symbolisiert „Engagements“ (2011) auch gleich zwei Wettkämpfe. Auf der Messe im sommerwarmen Florida streiten 260 internationale Galerien um jene Sammler, die jeder Händler auf sich aufmerksam machen will: Während der exklusiven „First Choice“ trat neben den begehrten Rubells oder de la Cruz' ein Europäer wie Uli Sigg, Spezialist für chinesische Kunst, auf und Dascha Zhukova als Repräsentantin des Moskauer Geldadels. Und die Art Basel MB ist längst nicht mehr nur ein Schweizer Ableger, sondern ein mächtiges Instrument des Kunstmarkts.

Auf die Messe in Basel wie in Miami gelangt man nur durch das Nadelöhr einer Jury, die Judy Lybke nach Jahren der Teilnahme 2011 eine Koje in Basel verwehrt hat – was einen mittleren Eklat auslöste. Nun steht der Berliner Galerist in Miami an seinem Stand mit Arbeiten von Carsten Nicolai, Olaf Nicolai, Jehudit Sasportas und der Bronzeskulptur „Die Jägerin“ von Neo Rauch. Erste Objekte zu Preisen bis 35 000 Euro hat er verkauft, über die größte Arbeit, Olaf Nicolais Außeninstallation „Black Pearl Curtain“ (2010, 240 000 Euro) denkt ein Sammler nach. Lybkes Koje lässt sich als Statement lesen. Und als Empfehlung, für die nächste Art Basel, die Absage an ihn zu überdenken.

Lybke passt hervorragend zur Messe in Miami. Den Ruch einer Glamour-Ausgabe der Art Basel mit größerer, plakativerer Kunst hat sie abgestreift. Im zehnten Miami-Jahr sind die Formate deutlich geschrumpft, die Motive weniger bunt und konzeptuelle Positionen so stark vertreten, dass man sich fast auf der Muttermesse wähnt. Bei Thaddaeus Ropac versichert man denn auch, es würden keine unterschiedlichen Koffer mehr gepackt – und zeigt auf Zeichnungen von Marc Brandenburg, Skulpturen von Tony Cragg (73000 Euro) oder Stephan Balkenhol (120 000 Euro).

Auch sonst entdeckt man Arbeiten von eindrucksvoller Qualität – auf den vielen Satellitenmessen ebenso wie in der neuen Schauhalle von Michael Dezer, der für seine zweite Ausstellung Stipendiaten der Berliner Karl-Hofer-Gesellschaft eingeladen hat. Die höchsten Preise zahlt man aber auf der Hauptmesse: Bei White Cube aus London bieten sie Jeff Walls Leuchtkasten „Hotels, Carrall St., Vancouver“ (2005) für 650 000 Dollar an, die Galerie Eva Presenhuber hat ein meterhohes iPhone von Doug Aitken mitgebracht (180 000 Dollar), das aussieht, als sei es schon mehrmals heruntergefallen. Galerien wie Landau Fine Arts, Acquavella oder Moeller Fine Art bringen Klassische Moderne mit und runden das Angebot preislich nach oben ab. Dass im Millionenbereich auch bei der zeitgenössischen Kunst nicht lange gezögert wird, bewies die Galerie Terminus mit Keith Harings Bild „T.C“ (Dog), das nach wenigen Stunden für 1,2 Millionen Dollar verkauft war.

Ganz ohne Rummel geht es auch im Jubiläumsjahr nicht. Die Kulisse von Miami mit Pools, Palmen, Design-Hotels ungenutzt zu lassen, wäre töricht. Das wissen Messe wie Stars, die zur Preview auffallend unauffällig durch die Kojen streifen: Michael Douglas mit Catherine Zeta-Jones, Naomi Campbell, Damien Hirst, Owen Wilson und P. Diddy, den manche noch als Puff Daddy kennen, in Begleitung von Julian Schnabel. Einen Tag zuvor, als die benachbarte Design Miami mit knapp 30 Ausstellern eröffnete, waren sie nicht zu sehen. Was dafür spricht, dass Geschäfte mit Vintage-Objekten etwa von Charlotte Perriand oder Jean Pouvré weniger Glamour besitzen und vor allem Fachkenntnis brauchen. Der Wert von Pouvrés Stühlen bemisst sich oft an Details.

Auch auf der Design Miami erschrickt man vor manchem Kitsch, freut sich aber auch über Raritäten wie jene Stereoanlage, die Ron Arad in den Achtzigern aus Beton schuf. Für die massive Skulptur verlangt die französische Galerie Downtown 140 000 Dollar. Skulptur? Wer meint, zwischen der Kunst im Convention Center und den Style-Objekten im Zelt nebenan gäbe es keine Schnittmenge, braucht bloß den Pop-up-Shop von Dior in Miami zu besuchen, in dem die Luxusmarke neueste Taschenkreationen vorstellt. Für die Muster war Anselm Reyle zuständig, ein Meister der Oberfläche, dessen Gemälde bei Contemporary Fine Arts für 145 000 bis 155 000 Euro zu haben waren. Eines ging innerhalb weniger Minuten weg.

Vom Aufmarsch inhaltsleerer BlingBling-Objekte hat sich die Art Basel MB nahezu verabschiedet. Ein später Reflex ist das Plüschmonster von Takashi Murakami bei Perrotin. Über anderes lässt sich streiten. Eine Vitrine voller OP-Utensilien von Damien Hirst (Galerie White Cube) wirkt im Miami-Ambiente gar nicht so kalt und steril. Eher wie ein ironischer Kommentar auf die chirurgische Nachhilfe, die zahlreiche Messebesucherinnen offensichtlich in Anspruch nehmen. Für sie ist „Fear“ von 1999 das perfekte Memento Mori.

Art Basel Miami Beach, bis 4.Dezember

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