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Kunstverein Potsdam: Von Küssen und Schlägen

Der Kunstverein Potsdam stellt eigensinnige Privatsammlungen vor – wenn er nicht schließen muss.

Zum Jahresende kommt für gewöhnlich Weihnachtspost, doch anstelle froher Wünsche lag im der Briefkasten des Brandenburgischen Kunstvereins (BVK) im Dezember die Kündigung. Seit 2002 sitzt Potsdams erste Adresse für Avantgarde im Luisenforum. Der Hof ist ein romantischer Fleck in der historischen Innenstadt, der sich bislang zwar nicht kommerziell nutzen ließ, aber immer wieder Begehrlichkeiten weckt. Nach der jüngsten Zwangsversteigerung im November, meint Silke Albrecht als BVK-Geschäftsführerin, habe man zwar mit Veränderungen gerechnet. Allerdings nicht so rasch und radikal wie von den neuen Inhabern in die Tat umgesetzt: Gekündigt wurde der Institution bereits für den 31. Januar 2010. Es sei denn, der Verein bringt statt der reinen Betriebskosten wie bisher nun zehn Euro Monatsmiete pro Quadratmeter auf. Ab Sommer sollen auch die Produzentengalerie M, die vom Brandenburgischen Verband Bildender Künstler (BVBK) betrieben wird, und die Ateliers im Forum entweder mehr Miete bezahlen oder ausziehen.

Für Potsdam wäre das ein herber Verlust. In der Landeshauptstadt gibt es keinen zweiten offiziellen Anlaufpunkt für Gegenwartskunst. Und die Arbeit des Hauses fällt auf: So war es 2009 für den Kunstvereinspreis der Kölner MesArt Cologne nominiert. Obwohl die beiden Kunstkritiker Astrid Mania und Gerrit Gohlke, die ehrenamtlich im Vorstand sitzen, unter extremen Bedingungen und nahezu ohne Zuschüsse wirken. Dass dennoch Sehenswertes zustande kommt, zeigt die aktuelle Ausstellung „False Friends“: lauter wunderbare Bilderpaare aus der Kienzle Art Foundation, die sich ergänzen, widersprechen oder miteinander streiten. Und dabei perfekt demonstrieren, dass die Präsentation einer privaten Sammlung nicht zwangsläufig zur Huldigung gerinnen muss. Vielmehr erklärt sich die von Gohlke kuratierte Schau ganz undidaktisch zu einer Schule des Sehens vor dem konkreten Objekt.

Was man lernt? Wie Jochen Kienzle, der selbst in Berlin eine Galerie betreibt, als Sammler auf die Arbeiten von Franz Erhard Walther, Klaus Merkel, Bertold Mathes, Gary Stephan oder Jonathan Lasker schaut. Welche künstlerischen Konzepte sie verbinden und dass nicht jede Privatsammlung für die ewig selben Namen steht. Kienzle interessiert sich für die Haltung einer jüngeren Generation zur abstrakten Malerei. Wie im Fall Laskers, der zwar das gestische Repertoire seines Genres nutzt. An die Stelle expressiver Pinselschwünge tritt allerdings die Reflexion über das Medium. Mit der Konsequenz, dass der Künstler jeden Strich kontrolliert auf die Leinwand bringt.

Analytisch ist das, keinesfalls spröde. Tatsächlich manifestiert sich in den 19 ausgestellten Werken ein lustvoller Umgang mit Form und Farbe. Auch darauf weist die Schau hin, die Auftakt einer Ausstellungsreihe werden soll. Als Dialog zwischen radikal subjektiver Sammlersicht und dem kunsthistorisch ordnenden Blick eines Kurators. Bleibt zu hoffen, dass sie nicht der Anfang vom Ende ist. Potsdams Kulturdezernentin Iris Jana Magdowski hat bereits klargestellt, dass es keinen Zuschuss für die Miete gibt. Auf der anderen Seite, so Albrecht, habe der neue Investor „durchaus Interesse an Kultur“. Man kann also auf Zugeständnisse hoffen, nicht auf einen Mäzen. Potsdam wird sich etwas einfallen lassen müssen, wenn es das engagierte Team (be)halten will.

Brandenburgischer Kunstverein, Brandenburger Str. 5 (Luisenforum); bis 31.1., Di-So 12-18 Uhr.

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