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Kultur: Lara Croft: Mit allen Sinnen

"Sie ist weder Schauspielerin noch Super-Model, sie ist Abenteurerin und heißt Lara Croft." Wie schnell man doch von der Wirklichkeit eingeholt werden kann.

"Sie ist weder Schauspielerin noch Super-Model, sie ist Abenteurerin und heißt Lara Croft." Wie schnell man doch von der Wirklichkeit eingeholt werden kann. Anfang 1999, auf dem Höhepunkt der virtuellen Karriere von Lara Croft als Heldin des weltweit bekanntesten Computerspiels "Tomb Raider", brachte Eidos das "Lara Croft Magazin" auf den Markt, mit eben jenem vorschnellen Zitat. Nun kommt an diesem Donnerstag der Grabräuber-Film in die Kinos. Und die Pixel-Ikone Lara Croft wird doch zur Schauspielerin, zum Leben erweckt durch Oscar-Preisträgerin Angelina Jolie. Oder eben zum Super-Model.

Mitte der neunziger Jahre war die Firma Core aus dem mittelenglischen Derby, die aus der australischen Comicfigur "Tank Girl" und der Pop-Schönheit Neneh Cherry jene Kunstfigur aus Bits und Bytes schuf, nur Insidern bekannt. Und selbst die hätten der Frau mit dem hautengen Tarndress, der üppigen Oberweite und dem mädchenhaften Pferdeschwanz keinen solchen Aufstieg vorhergesagt. Zumal sich die Spiele-Entwickler - die inzwischen zum Eidos-Imperium gehören - zuvor relativ erfolglos an einer Indianer-Jones-Adaption versucht hatten.

Dennoch gab es eine Reihe Besonderheiten, die "Tomb Raider" bei den spielesüchtigen Jugendlichen zu etwas Einmaligem machten. Und das Jahre, bevor die Medien das Potenzial von Lara Croft entdeckten und jedes Bild und jede Überschrift von ihr quasi zum Selbstläufer wurde, der nur noch von den lebensgroßen Promotionpuppen übertroffen wurde. Der Ursprung ihres Ruhms begann lange vor dieser Zeit. Noch bevor der Begriff der Ego-Shooter in Mode kam, erlaubte Lara Croft bereits im ersten von nunmehr fünf Spielen eine bis dato unbekannte Identifikation mit dem Protagonisten. Dazu trug vor allem die Dreidimensionalität des Spiels bei. Nicht mehr von oben herab, sondern mittendrin. Das war nun die Perspektive, die man von einem guten Spiel erwartete. Und natürlich den Detailreichtum der Szenen und jene akustische Untermalung, die notwendig ist, um Stund um Stund in den Bildschirm einzutauchen.

Ein großer Teil ihres Erfolges, der sich nicht zuletzt an über 25 Millionen verkauften Spielen zeigt, hängt damit zusammen, dass Lara Croft zwar ein Kunstgeschöpf ist, aber eines, das ohne Vorbilder aus jener anderen Illusionsfabrik namens Hollywood auskommt. So hat es Spielbergs Indianer Jones selbst in mehreren Anläufen nicht geschafft, sich im Computer oder an den Videospielekonsolen von seinem Celluloid-Vorbild zu emanzipieren. Zwar hatte es auch im Spielebereich einige Eigenkreationen gegeben, die für sich selbst standen und die für eine ganze Generation prägend waren. Super Mario und sein Bruder Luigi sind wohl die bekanntesten Vertreter. Doch erst mit "Tomb Raider" wurde die Computerindustrie endgültig erwachsen. Nicht zuletzt mit der Sony-Playstation, die gerade einmal ein halbes Jahr länger existiert als das erste Lara-Croft-Spiel, und die durch Titel wie "Tomb Raider" in die Welt der Erwachsenen eindrang und einen ganzen Markt durcheinanderwürfelte. Erstaunlich an Lara Croft ist zudem, dass "Tomb Raider" nicht wie die sonstigen, zumeist künstlich gehypten Erfolge aus Japan oder den USA stammte, sondern aus dem gediegenen Großbritannien. Auch wenn die sprachliche Wiedergabe eines Computerspiels nicht den Raum dafür lässt, die britischen Nuancen wiederzugeben, so ist Lara Croft doch als Geschöpf mit eindeutig britischem Ursprung in der Tradition der Ägypten-Forscher geschaffen worden, sogar mit echtem Adelstitel. Was durchaus auch einen Teil des Erfolgs in Deutschland erklärt, wo von den ersten drei Tomb-Raider-Versionen allein 4,6 Millionen Exemplare über den Ladentisch gingen.

Allzu oft wird Lara Croft nur nach ihren weiblichen Reizen beurteilt - was nicht völlig unbegründet ist, zumal im Internet schnell Schummel-Codes ausgetauscht wurden, um die an sich schon extrem großen Brüste noch weiter anschwellen zu lassen. Im Spiel jedoch spielte das keine Rolle, denn dort sah man sie ohnehin zumeist nur von hinten. Der Verkaufserfolg hat jedoch mehr damit zu tun, dass die Entwickler erkannten, dass auch ein Spiel eine nachvollziehbare Handlung braucht, so abenteuerlich sich die Geschehnisse um Mystik, Religion und Weltuntergang auch immer ausnehmen. Oder vielleicht auch gerade deswegen.

Bei "Tomb Raider" wird der Spieler gefordert, mit all seinen Sinnen. Rennen, Springen, Klettern, Robben, natürlich auch mit ihrer Neun-Millimenter-Waffe schießen, das erfordert volle Konzentration. Auch wenn viele der Fans jetzt, wo die "echte" Lara ihr Leinwand-Double erhält, enttäuscht sind, dass nicht zeitgleich ein neues Spiel auf den Markt kommt. Doch wenn Lara Croft für etwas steht, dann dafür: Sie gibt nicht auf. Und darum wird es auch für den Computer und die verschiedenen Konsolen eine Fortsetzung geben. Nicht als "Tomb Raider", sondern als "Lara Croft NextGen".

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