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Der französische Dirigent Alain Altinoglu, 41.

© Marco Borggreve

Alain Altinoglu bei den Philharmonikern: Lasst Weintrinker um mich sein

Frei von Mätzchen: Alain Altinoglu gibt sein Debüt als Dirigent bei den Berliner Philharmoniker.

Bratscher werden chronisch unterschätzt. Nur weil die Komponisten ihnen in sinfonischen Werken fast immer die Füllstimmen zuweisen, müssen sie nicht weniger kompetente Interpretenpersönlichkeiten sein als ihre Kollegen. Darum sollte man die fiesen Bratscherwitze, die in Musikerkreisen kursieren, auch gar nicht weitererzählen. Solche wie diesen zum Beispiel: „Wie kann man im Orchestergraben viel Strom sparen? Indem man an den Bratschenpulten Bewegungsmelder anbringt!“ Oder diesen: „Warum hat der Bratscher immer durchsichtige Frühstücksdosen dabei? Damit er erkennen kann, ob er zur Probe geht oder auf dem Heimweg ist.“

Dass bei den Berliner Philharmonikern jetzt beide Stimmführer der Bratschengruppe kurz hintereinander als Solisten auftreten, kann man fast schon eine Charmeoffensive nennen. Anfang Oktober wird Amihai Grosz das Violakonzert von William Walton spielen, am Donnerstag trat Máté Szücs in die Mitte des Philharmonie-Podiums. Um Béla Bartóks 1945 unvollendet hinterlassenes Werk für Bratsche und Orchester vorzustellen, in der jüngsten Rekonstruktion durch Csaba Erdelyi. Bartoks Musiksprache ist Szücs hörbar vertraut, wenn er in einen innigen Dialog mit seinem Instrument tritt, expressive melodische Linien gestaltet, das Raue und Ruppige nicht scheut. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, warum der 1978 geborene Ungar als 17-Jähriger seine Violine gegen die Viola eingetauscht hat und sich später gegen eine Solisten- und für eine Orchesterkarriere entschieden hat.

Achtbares Debüt

Achtbar absolviert der französische Dirigent Alain Altinoglu an diesem Abend sein Debüt bei den Philharmonikern. Seine Gestik ist frei von Mätzchen, die Haltung den Musikern stets zugewandt, trotzdem klingen Ravels „Rhapsodie espagnole“ und die Suite aus Debussys „Pelléas“-Oper, die Altinoglu selber zusammengestellt hat, kühl und distanziert, als würde man falschherum durchs Opernglas auf die Bühne blicken. Die Philharmoniker spielen angemessen zartgliedrig und transparent, bieten feinste Pianissimo-Abstufungen und funkelnde Details. Aber dieser französischen Jugendstilmusik fehlt gerade das, was an ihr stets gerühmt wird: Parfum.

Erst beim Finale mit Albert Roussels „Bacchus et Ariane“-Ballettmusik von 1931 tauen die Philharmoniker auf: Vitaler, körperlicher, ja auch aggressiver ist diese Partitur, eine metallisch blitzende Tondichtung, bei der die Musiker technisch so richtig brillieren können. Diese Gelegenheit lassen sie sich natürlich nicht entgehen.

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