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Kultur: Leerstelle

Neues Kino aus Israel: Raphael Nadjaris „Tehilim“

Der Große kommt morgens nicht aus den Federn, der Kleine hat an allem was zu meckern, auf der Fahrt zur Schule verstricken beide Jungs ihren Vater Eli in eine nervenzerrende Geschwisterfehde. Der ganz normale horror familiae also – bloß, dass er hier mit einem Rätsel endet. Plötzlich umkrampft der Vater mit starrem Blick das Lenkrad, das Auto schießt über den Bordstein und landet in einer Parkanlage. Benommen schickt Eli seine Söhne um Hilfe. Als die beiden mit einem Rettungswagen zurückkehren, ist der Vater verschwunden. Spurlos. Ist er tot? Hat er das Gedächtnis verloren? Wollte er abhauen? Weil niemand es weiß, wird der horror familiae zum horror vacui: Der kleine David, sein älterer Bruder Menachem und ihre Mutter Alma müssen lernen, mit dieser unbegreiflichen Leerstelle in ihrem Leben umzugehen.

Weitgehend unbegreiflich bleibt leider auch, welche Geschichte der israelische Regisseur Raphael Nadjari mit seinem fünften Spielfilm „Tehilim“ (Psalmen) erzählen will. Geht es um religiöse Konflikte im heutigen Jerusalem, angelegt im Streit um die angemessene Form des Trauerns, den Alma mit der orthodoxen Familie ihres Mannes austragen muss? Spielt sich das wahre Drama auf der familienpsychologischen Ebene ab? Oder steht der gewaltsam beschleunigte Reifeprozess des pubertierenden Menachem im Vordergrund? Das Loch, das der Regisseur ins Leben seiner Protagonisten reißt, vermag er mit all diesen Erzählfäden nicht recht zu stopfen. Jens Mühling

In Berlin nur im Kino Eiszeit

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