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Perspectives, Political analysis and commentary from the Middle East (Mai-Ausgabe):People’s Power – The Arab World in Revolt. Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin 2011 (kostenlose Bestellung unter Tel.

Perspectives, Political analysis and commentary from the Middle East (Mai-Ausgabe):

People’s Power – The Arab World in Revolt. Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin 2011 (kostenlose Bestellung unter Tel. 030 285340 und unter www.boell.de)

Die erste Euphorie über den Umbruch in der arabischen Welt ist der Einsicht gewichen, dass der Umbau der Systeme eine komplexe Angelegenheit ist, die regionalen und internationalen Auswirkungen noch unübersehbar sind, der Ausgang – selbst in Tunesien und Ägypten, wo die Diktatoren gestürzt wurden – noch offen ist. Die Fragen überschlagen sich angesichts der rasanten Ereignisse: Was genau ist passiert? Was verändert sich in der Region und in der Politik des Westens gegenüber der arabischen Welt? Warum haben die arabischen Regime sich so lange an der Macht halten können? Auf diese und andere Fragen geben fast ausschließlich arabische Wissenschaftler, politische Beobachter und Analysten Antworten in Form von messerscharfen Analysen, Meinungsartikeln und Augenzeugenberichten im zweiten Heft der Publikationsreihe „Perspectives“ der Auslandsbüros der Heinrich-Böll-Stiftung in Ramallah und Beirut. In kürzester Zeit zusammengestellt ist die 264 Seiten dicke Ausgabe ein spannender und aufschlussreicher Sammelband für all jene, die hinter die Kulissen des Umbruchs blicken wollen. Da kommt es natürlich vor, dass ein Artikel zu Syrien geschrieben wurde, bevor auch dort die Massenproteste begannen – dies wird geschickt abgefedert mit einem nachträglich geführten Interview mit dem Autor. Herausragend sind die Analysen, allen voran diejenigen des in Jordanien lebenden Mouin Rabbani, der zehn vorläufige Schlussfolgerungen aus den Rebellionen zieht und einen Ausblick gibt auf die Chancen für eine echte Demokratisierung von Systemen, die jahrzehntelang von Sicherheitsdiensten, und nicht unbedingt der Armee, beherrscht wurden. Die Kernfrage lautet aus Sicht Rabbanis nicht, ob die arabischen Staaten freie Wahlen organisieren und Zertifikate für „demokratisches Verhalten“ ausgestellt bekommen. Er geht davon aus, dass dies gelingen wird. Entscheidend wird sein, ob das Sicherheitsestablishment weiterhin diese Staaten dominieren wird oder nicht. Denn nicht das politisch eher neutrale Militär, sondern die Sicherheitsdienste haben die meisten arabischen Länder zu Polizeistaaten verkommen lassen. Deren Macht könnte leicht unterschätzt werden. Nicht umsonst bilden die Artikel Rabbanis Anfang und Ende dieses Bandes. Auf den Seiten dazwischen wird die Frage behandelt, ob die Ereignisse einen Neubeginn oder das endgültige Ende des Panarabismus bedeuten; warum der kapitalistische Privatsektor nicht Motor für politische Veränderungen war – wie es die soziologischen Theorien eigentlich nahelegen – und warum dies auch mit der Globalisierung zusammenhängt. Der Band ist ausgesprochen erkenntnisreich. Andrea Nüsse

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