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Kommunist, Komponist. Sophie Rois als genderfluider Zeitreisender Hans List.

© Schramm Film

„L'état et moi – Der Staat und ich“ im Kino: Das hohe Gericht als Puppenstube

Sophie Rois spielt in der Zeitreisekomödie „L'état et moi“ eine Doppelrolle. Regisseur Max Linz erweist sich einmal mehr als Spezialist für gehobenen Klamauk.

Von Andreas Busche

Namenswitze sind seit den „Supernasen“-Filmen in der deutschen Komödie etwas aus der Mode gekommen. Keine ganz schlechte Errungenschaft der vergangenen vierzig Jahre, auch wenn sich die Komödie hierzulande seitdem – eine Handvoll Filme ausgenommen – trotzdem nicht zum Besseren entwickelt hat.

Doch da Max Linz keine Berührungsängste kennt (seine ersten beiden Filme „Ich will mich nicht künstlich aufregen“ und „Weitermachen Sanssouci“ verbinden Bertolt Brecht mit Jerry Lewis, wären in einer idealen Welt also so etwas wie proletarische Volkskunst), geht er humoristisch auch schon mal dahin, wo es wehtut.

Gerichtspräsidentin Josephine Praetorius-Camusot (Sophie Rois) und Staatsanwalt Donnerstrunkhausen (Hauke Heumann) haben in „L'état et moi – Der Staat und ich“ allerdings nicht nur mit ihren Namen zu kämpfen. Es gibt in Linz’ dritter Insitutionskomödie, nach Witzen über den Kulturbetrieb und das Universitätsunwesen, auch ein Performanzproblem der Justiz.

Das zeigt sich schon darin, dass die Präsidentin ihrem jüngsten Prozess – der Fall eines „Aufrührers“, dessen Identität der Ordnungshüter Detlev Detlevsen (noch so ein Mike-Krüger-Kalauer, diesmal getarnt als popkulturaffiner Insiderwitz) bis ins Jahr 1871 zurückverfolgt – in einer Theaterkulisse vorsitzt. Da hockt sie nun wie in einem „Puppenhaus“ und muss den Umständen zum Trotz seriös deutsches Recht sprechen.

Von den Pariser Barrikaden ans preußische Gericht

Im Mai 1871 fielen zwei Ereignisse zusammen: Die Pariser Commune wurde gewaltsam aufgelöst, während gut tausend Kilometer weiter östlich unser heutiges Strafgesetzbuch in Kraft trat. Max Linz verbindet diese beiden Ereignisse durch einen filmischen Trick: Der Komponist Hans List, der eben noch auf den Pariser Barrikaden kämpfte, erwacht 150 Jahre später als Wachsfigur in einer Ausstellung über die deutsch-französischen Beziehungen – passenderweise im rekonstruierten, einer irren Preußen-Fantasie entsprungenen Stadtschloss.

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Hier erlebt der Zeitreisende einerseits die Uraufführung seines Fragments „Die Elenden“, nach Victor Hugo, sowie die Unzulänglichkeit der deutschen Justiz, die schon davon überfordert ist, zwischen Komponist und Kommunist zu unterscheiden – einer der vielen Running Gags des Films, die mit jedem Mal besser werden.

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Die Verwechslungskomödie, die sich im Wesentlichen darum dreht, dass der genderfluide List und die blasiert-joviale Praetorius-Camusot beide von Sophie Rois gespielt werden, und die Parodie auf deutsche Autoritätshörigkeit – die sich unter anderem darin äußert, dass der Polizist DD, dem Händedruck nach zu urteilen, eine entfernter Nachfahre Bismarcks ist (Bernhard Schütz ebenfalls in einer Doppelrolle) – finden in „L'état et moi“ eine freiere Form als in Linz’ früheren Filmen.

(In den Kinos Delphi Lux, Klick, Zukunft)

Hans List ist eine Art Zelig-Figur. In ganz eigenen Sphären schwebt der trotteltige Rechtsreferendar Yushi Lewis (Jeremy Mockridge), für den der Jungkomponist vor allem eine Gelegenheit darstellt, mit der Cellistin Céline (Martha Mechow) anzubändeln – der Patentochter der Gerichtspräsidentin, bei der Yushi gerade fürs Staatsexamen hospitiert.

Linz hat es sich mit seiner dritten Diskurskomödie – ein Genre, das nur noch Julian Radlmaier und Susanne Heinrich ähnlich virtuos beherrschen – hübsch im gehobenen Klamauk eingerichtet. Die Witze sind mitunter abstrakter, was auch daran liegen könnte, dass er sich erstmals auf ungesichertes Terrain begibt. Man spürt gelegentlich, dass Linz das Milieu der Rechtsprechung weniger vertraut ist als der Kultur- und Unibetrieb. Dafür beherrscht er den Slapstick umso gekonnter. Das liegt nicht zuletzt an Sophie Rois, deren komödiantisches Timing, sozusagen als typisch Linz’sche Verweigerungshaltung, notfalls auch ohne Worte sitzt.

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