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Kultur: "Lieber Fidel": Die Fremdgängerin

"Süßer, ich liebe dich noch". So richtig süß sieht der alte Mann in der Badehose nicht aus, der da gerade auf dem Fernsehschirm den Meeresfluten entsteigt.

"Süßer, ich liebe dich noch". So richtig süß sieht der alte Mann in der Badehose nicht aus, der da gerade auf dem Fernsehschirm den Meeresfluten entsteigt. Vielleicht wissen wir auch einfach zuviel über ihn. Der Mann ist Fidel Castro. Ein halbes Jahrhundert ist es her, da war Marita Lorenz, die Dame vor dem Fernsehgerät, seine Geliebte. Auch heute noch hat sie in ihrer New Yorker Hinterhofwohnung ein Jugendporträt des Jefe auf dem Beistelltischchen stehen.

Damals, zu romantischeren Zeiten, segelte die 19-jährige Bremerin auf Vaters Dampfer um die Welt. Marita ist hübsch. Und sie mag Männer in Uniform. Als 1959 im revolutionstrunkenen Havanna der kubanische Führer mit einer Delegation das Schiff besichtigt, tätscheln Fidel und Marita bald unterm Tisch miteinander herum.

Fidel ist verliebt. Er bitte die "Alemanita", seine Königin von Kuba zu werden. Marita wird schwanger. Ob es Castro selbst war, der veranlasste, dass Marita einer Zwangsabtreibung unterzogen wurde, ist unklar. Die enttäuschte Geliebte jedenfalls ist ein dankbares Opfer für die CIA, die Castro ermorden will. Marita wird einer Gehirnwäsche unterzogen und unter Drogen gesetzt, dann schickt man sie zu Fidel ins Hotel. Doch angesichts des geliebten Mannes wird der Todesengel schwach: Marita warnt Castro und kippt das Gift ins Bidet. Dann verbringt sie mit ihm eine letzte Liebesnacht. Danach landet sie bei den antikubanischen Spezialtruppen, die in den Everglades die "Penetration" trainieren und auch für andere Drecksarbeiten eingesetzt werden. Später bespitzelt sie, als Hausmeistersfrau getarnt, östliche Diplomaten für das FBI.

In seinem ersten Kinofilm "Lieber Fidel" arrangiert der langjährige Fernseh-Regisseur Wilfried Huismann eine Begegnung mit Marita. Kaum zu glauben, was diese hellwach hinter der Brille hervoräugende Frau, die blitzschnell vom Deutschen ins Amerikanische wechselt, in ihrem Lebensgepäck mit sich herumschleppt: Eine Kindheit im KZ Bergen-Belsen, siebenjährig wird sie von einem US-Offizier vergewaltigt. Mit CIA und FBI, Mafia und "Kosher Nostra" hatte sie zu tun. Mit dem venezuelanischen Ex-Diktator Marcos Pérez Jimenez, der antikubanische Sabotageaktionen organisierte, hat sie eine Tochter. Auch sonst war kein Mann vor ihr sicher, kein Offizier zumindest. Nur "Ozzie", Lee Harvey Oswald, war ihr zu mickrig.

Kaum zu glauben, mit welcher politischen Naivität und emotionalen Hilflosigkeit die heutige Sozialhilfempfängerin in ihrem abenteuerlich-erbärmlichen Leben herumirrt: "Ich musste immer rennen und weiß nicht, wohin." Wie kann man einen Mann lieben und sich zugleich an seine potenziellen Mörder verdingen? Was treibt diese Frau eigentlich an? Fragen, denen der Film kaum näher kommt. Fast schattenhaft huscht Maritas Leben an uns vorbei, schemenhaft ausgeschmückt durch Nachinszenierungen, die Stimmungen vermitteln, nähere aber Auskunft verweigern.

Am Ende ist genau die emotionale Kurzsichtigkeit Maritas der eigentliche Stoff dieses Films. Eine Liebessucht, die blindlings allen Realitäten trotzt. Eine Hingabe, die an Selbstverrat grenzt. Selbst in die Propagandaflugblätter, die sie mit dem Flugzeug über Kuba abwarf, schrieb Marita Liebesgrüße an Castro. Heute schreibt die 61-Jährige ihrem "Barborito", dem Bärtigen, dass sie ihn wiedersehen will. Wird die Liebe dieses Wiedersehen überdauern? Auch davon berichtet dieser Film.

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