zum Hauptinhalt

Kultur: Liebesleid

Fotos des fast vergessenen Ungarn George Friedmann.

Sie kamen aus dem Ungarn der Zwischenkriegszeit: André Friedmann, der sich später Robert Capa nannte. Gyula Halász, der unter dem Pseudonym Brassaï berühmt wurde. Ihr gemeinsamer Freund André Kertész und George Friedmann, den heute nur noch Fotohistoriker kennen. Vor wenigen Jahren lenkte der Fotograf Max Jacoby den Galeristen Norbert Bunge auf die Spur dieser nur bruchstückhaft bekannten Biografie, die vom nordostungarischen Miskolc, wo Friedmann 1910 geboren wurde, über Paris und London nach Hollywood führte. Als Kameramann lernte er hier, wie man Szenen wirkungsvoll arrangiert. Eine Erfahrung, die ihm an seiner längsten Lebensstation, in Argentinien von 1939 bis zum Tod im Jahr 2002, zugute kam.

Von Buenos Aires aus belieferte der als elegant, sportlich und geschäftstüchtig beschriebene Emigrant internationale Journale mit ausdrucksstarken Fotografien aus dem realen Leben, war sich aber auch für Werbeaufträge von Firmen wie Shell oder Olivetti nicht zu schade. 1970 engagierte das Frauenmagazin „Idilio“ den Sechzigjährigen als Cheffotografen, dessen Hauptaufgabe darin bestand, den regelmäßig abgedruckten „Novelas“ durch inszenierte Bilder einen Hauch von Authentizität zu verleihen. Vierzig dieser Arbeiten, brillant in Stil und Technik (Preis: 1200–4000 Euro), sind nun bei Argus Fotokunst zu besichtigen.

Was sieht man? Vor allem attraktive Männer und schöne Frauen vorzugsweise in Momenten des Abschieds. Im Schatten eines Flugzeuges wechselt ein Paar letzte Liebesworte, bevor er die Maschine in die Ferne lenkt und sie mit ihrer Sehnsucht daheim bleibt. Oder er lenkt ein offenes Cabriolet auf einer Straße am Meeresufer und vergisst nicht, die kühl blickende Begleiterin mit einem fast diabolischen Lächeln zu umgarnen. Oder eine mondäne junge Frau überprüft vor dem Spiegel ein letztes Mal ihre Frisur und hält inne. Stets gehören die Personen zur höheren Gesellschaft, woran Kleidung, Interieur und eine gekünstelte Erotik keinen Zweifel lassen.

Friedmanns seinerzeit geschätzte Stills setzen, nicht anders als die Produktionen der Traumfabrik, Illusionen ins Bild. Heute entlocken die in den Sechzigern des vergangenen Jahrhunderts entstandenen Arbeiten unwillkürlich Heiterkeit. Kaum zu glauben, dass sie einmal Tränen der Rührung, Wehmut oder gar Mitleid hervorriefen. Oder vielleicht auch ein Lächeln? Man möchte das Letztere annehmen, aber vor allem beeindrucken der geschliffene Stil und die sichere Technik. Hans-Jörg Rother

Galerie Argus Fotokunst, Marienstr. 26; bis 11.5., Mi–Sa 14–18 Uhr

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false