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Literatur: Christos übergewichtige Werkschau

Ein monumentales Werk im wahrsten Wortsinne: Christo präsentiert seine Werkschau in Berlin.

So manchen schleudert es vor Staunen fast wieder zurück aus dem Buchladen des Taschen-Verlags auf die Friedrichstraße: „Was? Das ist ja riesig!“ Ja, da prangt sie, die Werkschau von Christo und Jeanne-Claude, eine Elle hoch und so schwer, dass sie am Flughafen wohl gerade noch ohne Gepäckzuschlag durchginge. Gebunden in Sackleinen wie Christos frühe „Packages“, limitiert auf 1000 Stück, Preis: 1000 Euro.

Wie eine unausgepackte Ikea-Kommode ruht das Buch in den Armen des ersten Käufers, der vom Signiertisch zurückkehrt und sich schüchtern zwischen den feierlichen Blicken der Umstehenden hindurchschlängelt. Christo ist zurück! Es ist dies seine erste Autogrammstunde ohne seine Frau und Partnerin Jeanne-Claude. Der Künstler, kariertes Hemd, beiger Anorak, hält keine Ansprache, signiert aber geduldig. Die Namen seien doch bitte auf Zetteln zu notieren. „Klaus, Helga, Nadja“, wird ihm hingereicht. Christo korrigiert: „Ich nenne die Dame zuerst.“

Fast dreißig Bücher hat das Paar mit Taschen herausgegeben, rechnet Herausgeber Wolfgang Volz vor. Wie ihre temporären Installationen Raum und Zeit zu relativen Größen schrumpfen ließen, so veränderte und erweiterte auch der Band zur Reichstagsverhüllung die Maßstäbe für Kunstbildbände. 2008 reifte die Idee, Leben und Werk in ein Buch zu fassen, von frühen Familienfotos bis zu den noch unrealisierten Projekten in Colorado und Abu Dhabi. Christo räumte sein Studio leer und arrangierte über zehn Monate Fotografien, Skizzen und Collagen. Anschließend schrieb Jeanne-Claude mit Assistenten drei Monate an den Texten. Kurz bevor sie ins Krankenhaus kam, entstand noch ein Interview mit dem Architekturkritiker und Pulitzer-Preisträger Paul Goldberger, der auch einen Essay beisteuerte. Damit ist das Buch das letzte abgeschlossene Gemeinschaftswerk.

Ein Foto zeigt das Künstlerpaar Seite an Seite zwischen gefalteten Stoffbahnen gehend, die Köpfe unter Bauhelmen gesenkt, das jeweils rechte Bein zum Schritt gehoben. Einträchtige Ruhe, mitten im Schaffen. „Sie war eine so realistische und starke Frau“, sagt Christo. „Sie ist unersetzlich.“ Gefragt, ob er manchmal ans Aufhören denkt, zitiert er denn auch Jeanne-Claude: „Künstler hören nicht auf. Sie sterben.“

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