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Noch eine Ruine. Die Garnisonkirche um 1949.

© Archiv

Geschichte der Potsdamer Garnisonkirche: 1933 ein freudiges Ja

Ohne die „Kriegspredigten“: Anke Silomon hat die Geschichte der Garnisonkirche aufgeschrieben.

Seit Jahren streiten Gegner und Befürworter um den Wiederaufbau der ehemaligen Potsdamer Hof- und Garnisonkirche, die gegen Ende des Zweiten Weltkriegs durch Luftangriffe schwer zerstört und deren Ruine im Jahr 1968 gesprengt wurde. Vor gut einem Jahr beauftragte die Stiftung Garnisonkirche Potsdam, die das Wiederaufbauprojekt betreibt, die Berliner Historikerin Anke Silomon mit der Erforschung der Geschichte der Garnisonkirchengemeinde im 20. Jahrhundert. Die nun vorliegende Darstellung kann zu einer Versachlichung des Streits beitragen, der nicht selten groteske Züge eines verbissenen Potsdamer Kulturkampfes angenommen hat.

Deutlich wird in dieser Studie die herausgehobene Sonderstellung der Garnisonkirche: Sie war Immediatkirche, die bis 1918 unter dem Patronat des preußischen Königs stand, und sie war Simultankirche, an der sowohl ein reformierter als auch ein lutherischer Geistlicher wirkten. Zu ihr gehörte sowohl eine Militärgemeinde für die Garnison, zugleich auch eine kleine Zivilgemeinde. Als Ruhestätte der beiden bedeutendsten Preußenkönige des 18. Jahrhunderts – Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. („der Große“) – repräsentierte die Barockkirche im frühen 20. Jahrhundert einen preußisch-deutschen Erinnerungsort ersten Ranges – angesichts der enormen Besucherzahlen ließe sich von einer Pilgerstätte des alten Preußen sprechen. So erfahren wir beispielsweise, dass allein im Jahr 1934 über 350 000 Besucher kamen, um das Gotteshaus und „die Gruft“ zu besichtigen – das war weit mehr als das Zehnfache der Gottesdienstbesucher in jenem Jahr.

Tag von Potsdam

Es konnte gar nicht ausbleiben, dass diese exponierte Sonderkirche neben ihren eigentlichen geistlichen Funktionen häufig den Charakter einer politischen Bühne annahm. Dies dürfte vielfach während des Ersten Weltkriegs der Fall gewesen sein, als die preußische Kirche mit ihren Pfarrern zur „geistlichen Mobilmachung“ aufrief. Es überrascht, dass hiervon in dieser Studie überhaupt nicht die Rede ist. „Kriegspredigten“ waren zum eigentlichen Medium protestantischer Teilnahme am Weltkrieg geworden. Die „Kriegspredigten“ in der Garnisonkirche kommen in diesem Buch gar nicht vor. Interessant ist indessen die Schilderung eines Auftritts von General Erich Ludendorff am 24. November 1919 in der Kirche, der in eine heftige politische Agitationskundgebung gegen die junge Weimarer Republik ausartete. Ob das nur eine Ausnahme für die 20er Jahre war, oder ob solche Dinge zum verbreiteten politischen Ton in dieser Kirche gehörten, wüsste man gern genauer.

Das eigentlich prägende Ereignis in der Garnisonkirche aber war der spektakuläre „Tag von Potsdam“ am 21. März 1933. Analyse und Deutung dieses nationalen Symbolereignisses fallen im vorliegenden Buch merkwürdig knapp aus und bleiben teilweise hinter dem zurück, was durch Publikationen längst bekannt ist. Die kirchliche Schlüsselrolle, die der damalige Generalsuperintendent der Kurmark Otto Dibelius an diesem historischen Tag spielte, wird kaum geschildert. Seine Predigt in der Nikolaikirche und deren Wirkungen werden nicht zureichend untersucht. Hermann Göring, so erinnerte sich Dibelius später, habe ihm nach der Predigt die Hand geschüttelt und bekannt: „Das war die beste Predigt, die ich in meinem Leben gehört habe!“ Auch der anschließende Staatsakt in der Garnisonkirche wird verkürzt dargestellt. Von der Hitlerrede in der Garnisonkirche erfahren wir fast nichts. Einen symbolträchtigen Händedruck zwischen Reichspräsident Hindenburg und Hitler gab es nicht nur vor der Garnisonkirche, wie im Buch erwähnt, sondern auch in der Garnisonkirche. Dibelius, der als Augenzeuge in der ersten Reihe saß, hat diesen Moment wenige Tage später geschildert: Würdig, ernst und eindrucksvoll seien Hitlers Worte gewesen. „Als das letzte Wort gesprochen ist, tritt Hitler von dem Pult zurück. Der Reichspräsident tut einen Schritt nach vorn und streckt ihm die Hand entgegen. Hitler ergreift sie und beugt sich tief, wie zum Kuss, über die Hand des greisen Feldmarschalls. Es ist eine Huldigung in Dank und Liebe, die jeden ergriffen hat, der sie mit ansah.“ Kurz, mit einem freudigen Ja war die evangelische Kirche Preußens an diesem denkwürdigen Tag und damit auch an einer Wegmarke in das „Dritte Reich“ beteiligt. Davon müsste in einem solchen Buch deutlicher die Rede sein.

Sprengung und Abriss in den 60er Jahren

Im zweiten Teil der Studie wird die Geschichte der verbliebenen Restgemeinde seit Kriegsende beschrieben, die ihr zerstörtes Haus 1949 in „Heilig-Kreuz-Kirche“ umbenannte. Die Militärgemeinde hatte sich aufgelöst. Die Zivilgemeinde war auf ca. 350 Seelen geschrumpft. Die detaillierte Untersuchung der Umstände, die in den 1960er Jahren zur Sprengung des Turms und zum Abriss der Ruine durch die Machtorgane der DDR führten, ist verdienstvoll, denn man hat diese Vorgänge in solcher Ausführlichkeit bisher noch nirgendwo lesen können.

Anke Silomon: Pflugscharen zu Schwertern – Schwerter zu Pflugscharen. Die Potsdamer Garnisonkirche im 20. Jahrhundert. Nicolai Verlag, Berlin 2014. 201 Seiten, 19,95 Euro.

© Nicolai

„Kritische Erinnerungsarbeit“, die Wolfgang Huber in seinem Geleitwort zu diesem Buch als Vorbereitung für den Wiederaufbau der Kirche einfordert, ist dieses Buch leider nur streckenweise. Allzu häufig bleiben wichtige Fragen offen, bleiben prägende Ereignisse unterbelichtet, finden sich bedauerliche Lücken und Auslassungen in dieser unübersehbar mit Eile geschriebenen Geschichte der Potsdamer Garnisonkirchengemeinde im 20. Jahrhundert.

– Anke Silomon: Pflugscharen zu Schwertern – Schwerter zu Pflugscharen. Die Potsdamer Garnisonkirche im 20. Jahrhundert. Nicolai Verlag, Berlin 2014. 201 Seiten, 19,95 Euro.

Manfred Gailus

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