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Untersuchung am mumifizierten Körper, Ägyptische Archäologen analysieren Tutenchamun in Luxor 2005.

© dpa/dpaweb

Ärchaologie als Abenteuer: Seltsame Tiere aus schimmerndem Gold

Nadja Tomoum erzählt, wie der Archäologe Howard Carter das Grab des Tutanchamun entdeckte

Am 6. November 1922 telegrafierte der britische Archäologe Howard Carter an seinen Mäzen Lord Carnarvon in England: „Habe endlich wunderbare Entdeckung im Tal gemacht. Ein großartiges Grab mit unberührten Siegeln. Bis zu Ihrer Ankunft alles wieder zugedeckt. Gratuliere!“

Fast hätte Carter aufgegeben, doch nun war er sicher, nach zehn Jahren der Suche das Grab des Tutanchamun gefunden zu haben. Drei Wochen später traf Lord Carnarvon mit seiner Tochter in Ägypten ein und Carter öffnete die Grabkammer: „Mit zitternden Händen machte ich eine kleine Öffnung in der linken oberen Ecke. Dunkelheit und Leere.“

Dann führt er eine Kerze ein und notiert später in seinem Tagebuch: „Als meine Augen sich aber an das Licht gewöhnten, tauchten bald Einzelheiten im Innern der Kammer auf, seltsame Tiere, Statuen und Gold – überall glänzendes schimmerndes Gold.“

Wie es genau zu dieser Entdeckung kam, die die Welt bewegte, erzählt die Ägyptologin Nadja Tomoum in ihrem Buch „Das Geheimnis des Tutenchamun“. Carter selbst hatte seine sensationelle Entdeckung 1923 bis 1933 in drei Bänden publik gemacht, doch Tomoum bettet die Geschichte in einen größeren kulturhistorischen Zusammenhang ein: Diese Ausgrabung war die erste, bei der die Massenmedien eine entscheidende Rolle spielten.

Weltweites Fieber

Der Fund machte ihn weltberühmt und löste einen beispiellosen Rummel aus, kurbelte Ägypten-Reisen mit Thomas Cook an und brachte viele Herrscher und Politiker dazu, sich den Fundort anzuschauen, sodass Carters Arbeit zeitweise erheblich behindert wurde.

Tomoum geht zurück in die späte Amarna-Zeit, in das 15. Jahrhundert vor Christus. Ägypten konnte damals schon auf 1600 Jahre Kulturgeschichte zurückschauen. Sie erinnert an die große Zeit der Pharaonen, als diese von Syrien bis Nubien herrschten, bis es unter Echnaton, dem Vater Tutanchamuns, zum Bruch kam. Echnaton ersetzte die alten Götter durch den einen Sonnengott Aton.

Vier Jahre nach Echnatons Tod kam der junge Tutenchamun 1333 v. Chr. auf den Thron. Tomoum schildert ihn als den Menschen „hinter der Goldmaske“, der mit neun Jahren als 13. Pharao der 18. Dynastie des Neuen Reiches den Thron bestieg. Drei Jahre später ändert er seinen ursprünglichen Namen Tutanchaton in Tutanchamun, um den alten Göttern die Ehre zu erweisen. Er gab Amarna auf und siedelte wieder nach Memphis über, der Hauptstadt des Alten Reiches.

Die Autorin zeigt Tutanchamun als jemanden, der ein luxuriöses Leben führte. Davon zeugen die über 5500 Objekte, die Carter fand. Es war das erste vollständig erhaltene Grab eines Pharaos mit der dazugehörigen Mumie. Tutanchamun starb überraschend mit 19 Jahren, der Hof war darauf nicht vorbereitet, und so erklärt es sich, dass er in einer bereits vorhandenen, aber viel zu kleinen Grabkammer bestattet wurde.

Autodidaktisches Genie

Tomoum widmet der Beziehung zwischen Lord Carnarvon und Howard Carter ein eigenes Kapitel. Ohne Carnarvons finanzielle Unterstützung hätte Carter seinen Jugendtraum, im Tal der Könige eine bedeutende Entdeckung zu machen, nie wahrmachen können. Beide lernten sich zufällig Anfang des 20. Jahrhunderts kennen. Carnarvon war in Luxor aus gesundheitlichen Gründen, Carter arbeitete als Zeichner für den „Egypt Exploration Fund“. Er war ein hochbegabter autodidaktischer Künstler und perfekter Zeichner.

Lord Carnarvon engagierte Carter 1909 als Leiter seiner privaten Grabungskampagnen. Es begann eine fruchtbare Zusammenarbeit, die allerdings nicht konfliktfrei blieb. Im Hauptausgräber der britischen Expedition, William Matthew Flinders Petrie, fand Carter einen qualifizierten Lehrmeister in einer Zeit, in der sich Archäologen noch eher als Schatzgräber sahen. Tomoum zeichnet Carters Reisen in Ägypten nach.

Sie führten ihn schon 1891 nach Amarna und später nach Theben. Nur dank seines systematischen Vorgehens gelang ihm in letzter Minute die Entdeckung des Pharao-Grabes. Auch in seiner Hartnäckigkeit ist er Heinrich Schliemann ähnlich, wenngleich seine wissenschaftlichen Methoden schon ausgefeilter waren als die des Deutschen.

Tomoum bettet Carters Reisetätigkeit ein in eine Darstellung von Forschungsreisen und touristischen Reisen in Ägypten. Sie zieht Linien von den Persern 500 vor Christus bis hin zu Napoleons Feldzug und Jean-François Champillons Entzifferung der Hieroglyphen vor 200 Jahren. Sie verweist auf Richard Lepsius mit seiner preußischen Expedition 1842 bis 1845. 1905 fand der Amerikaner Theodore Davis zwischen den Gräbern von Amenophis II. und Ramses VI. einen Fayence-Becher mit dem Thronnamen Tutanchamuns.

Minuziöse Darstellung

Das war der Beweis, dass das Grab irgendwo sein musste. Die Bergung des Schatzes stellt die Autorin minuziös dar: Sein Umfang sprengte alle Vorstellungen und Erwartungen und versetzte die Welt nach den Schrecken des Ersten Weltkrieges in ein wahres Tut-Fieber.

Auch hundert Jahre nach der Entdeckung fasziniert Tutanchamun die Welt, die ägyptische Antikenverwaltung schickte die bedeutendsten Stücke noch 2018 auf eine letzte Welttournee, um dann den Schatz erstmals im neuen Grand Egyptian Museum vollständig auszustellen, das im November eröffnet werden soll. Er wird das Museum nie wieder verlassen.

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