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Alice Schwarzer

© ddp

Feminismus: Der alte kleine Unterschied

Fragen über Fragen, die Alice Schwarzer nicht einmal stellt: In ihrem neuen Buch feiert die "Feministin vom Dienst" vor allem sich selbst.

Dieses Buch richtet sich an Frauen und auch an Männer, die die ruhmreichen Tage der deutschen Frauenbewegung höchstens noch aus Erzählungen kennen und Alice Schwarzer für die nette Tante halten, die im Fernsehen mit Alfred Biolek manchmal Hühnchen kocht oder bei Günther Jauch blöde Fragen für einen guten Zweck beantwortet. Doch so zahm und massenkompatibel, wie die „Feministin von Dienst“ (Schwarzer über Schwarzer) mittlerweile im Fernsehen wirkt, will sie offenbar nicht in die Geschichtsbücher eingehen.

Nein, sie will, dass auch die Nachgeborenen wissen, wie hart sie gekämpft hat in jenen dunklen Jahren, als Ehemänner ihren Frauen die Erwerbstätigkeit noch verbieten konnten und man für einen Schwangerschaftsabbruch noch im Gefängnis landen konnte. Und es ist an sich auch gar nichts dagegen einzuwenden, wenn in politischen Autobiografien alte Schlachten noch einmal geschlagen und alte Anfeindungen noch einmal durchlitten werden. Doch Schwarzer tut das mit dem heute eitel wirkenden Furor einer Frau, die sich seit 30 Jahren weigert, alte Positionen und lieb gewonnene Meinungen noch einmal zu durchdenken.

Jedes der elf Kapitel ihres neuen Buches „Die Antwort“ beginnt mit einer Erzählung aus ihrem bewegten Leben, die uns zeigen soll, dass sie die meisten Probleme, die Frauen heute umtreiben, garantiert als Erste erkannt hat, ganz gleich ob es sich um den Machismo der 68er handelt, den misogynen Charakter der iranischen Revolution oder den neuen Diätterror. Dabei legt sie ihren Finger immer noch zielsicher in offene Wunden, weigert sich aber, aus ihren, häufig durch ermüdend ausführliche Statistiken belegten, Diagnosen irgendwelche nachvollziehbaren Schlüsse zu ziehen.

Pornografie wird immer gewalttätiger und menschenverachtender, Magersucht greift um sich wie eine Mädchenepidemie, weil kein Mensch von Natur aus in die angesagte Kleidergröße „null“ passt, Mütter machen immer noch selten Karriere – für Schwarzer ist klar, wer die Schuld trägt. Ihre Welt ist auch im Jahr 2007 in zwei unversöhnliche Lager geteilt: Auf der einen Seite stehen die Frauen und Alice Schwarzer, die als Einzige weiß, was gut für sie ist, auf der anderen die Männer, denen keine Frau über den Weg trauen sollte, weil sie nur im besten Fall auf ihren von männerbündischen Seilschaften bewachten Pfründen hocken.

Im schlechteren, also im Regelfall, sind sie von den Errungenschaften der Emanzipation dermaßen traumatisiert, dass sie nun zum Gegenschlag ausholen. So ist die aktuelle Debatte um mehr und besser versorgte Kinder in Deutschland für Schwarzer keineswegs eine bevölkerungspolitische Debatte. Die Rente, die mangels Nachwuchs keineswegs mehr sicher ist, dient aus ihrer Sicht dem gedemütigten Macho bloß als mehr oder minder an den Haaren herbeigezogenes Argument, um die Frau endlich wieder hinter den Herd zu bekommen. Und erinnert man sich an die merkwürdigen Pamphlete gegen egoistische Karrierefrauen, die sich weigern, ihre Pflicht zu tun, wie sie zu Beginn der Kinderdebatte in eigentlich jeder deutschen Zeitung erschienen, muss man Schwarzer recht geben.

Doch die Unverfrorenheit, mit der sie die leeren Pensionskassen in diesem Zusammenhang kurzerhand zur Männerfantasie erklärt, zeigt, was dieses Buch mitunter unerträglich macht: Schwarzer vereinfacht so lange, bis sie ihre eigene Argumentation unglaubwürdig gemacht hat oder wieder bei den hohlen Phrasen der 70er Jahre angekommen ist. Jeder Mann ein potenzieller Vergewaltiger? Wir müssen, schreibt Schwarzer, „davon ausgehen, dass zwei von drei Männern Freier sind“. Und wir sollten dabei auf keinen Fall vergessen, dass „Freier Nekrophile sind, die sich an sozial toten Frauen vergehen“.

Für Schwarzer ist Prostitution gleich Zwangsprostitution, das ist eine Haltung, die man einnehmen kann. Doch wenn sie durchweg jede Form von heterosexuellem Sex mit Prostitution und Gewalt assoziiert, wird es wieder krude. Dass Frauen Männer lieben, ist für sie bloß ein Zeichen für die „Selbstverachtung der Frauen“. Dass 37 Prozent aller deutschen Frauen alleine leben, hält sie für einen großen Erfolg der Bewegung, genau wie „die zwei Drittel Scheidungen, die von Frauen eingereicht werden“.

Ob diese Frauen mit ihrem Leben zufrieden oder sogar glücklich sind, interessiert Frau Schwarzer genauso wenig wie soziale Belange. Es gibt in dem ganzen Buch keine einzige Stelle, an der sie darüber nachdenkt, was das für eine Gesellschaft sein könnte, in der Frauen all die Rechte wahrnehmen, die ihnen von der Verfassung her längst zukommen. Doch Gesellschaft interessiert sie eben auch nicht. Schwarzers Feminismus wirkt mitunter wie der Egotrip einer einzelnen Person, die sich ihre Allianzen sucht, wo sie sie finden kann.

In den 70er Jahren, bei ihrer Kampagne gegen den Paragrafen 218, war es der „Stern“ und die Edition Suhrkamp, heute sind es die konservative Familienministerin und ihre Kanzlerin Angela Merkel, zu der sie ein fast schwärmerisches Verhältnis pflegt. Auch Papst Benedikt, eigentlich der Angstgegner aller kämpferischen Frauen, wird zugutegehalten, dass er in seiner Regensburger Rede dem Islam, Schwarzers neuem Hauptfeind, ordentlich die Leviten gelesen hat. Feminismus, so schreibt Schwarzer in einem Nebensatz, sei heutzutage halt kein linkes Unterfangen mehr. Nur, was ist er dann? Eine Frage von vielen Fragen, die in „Die Antwort“ nicht einmal gestellt werden.

– Alice Schwarzer: Die Antwort. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2007. 181 Seiten, 17,90 Euro.

Stefanie Flamm

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