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Redslob

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Edwin Redslob: Der Unverbesserliche

Museumsmann, Politiker und Mitbegründer des Tagesspiegels – eine neue Biografie würdigt Edwin Redslob.

Vielleicht bot Goethes 100. Todestag im Jahr 1932 ein letztes Mal Anlass für die Demonstration europäischen Geistes und der ihn zerreißenden Spannungen. In Frankfurt veranstaltete der Völkerbund eine Goethe-Tagung, bei der unter anderem Albert Schweitzer und Romain Rolland sprachen. Doch längst war Goethe für die 1932 – dem Jahr der Reichspräsidentenwahl und zweier Reichstagswahlen – aufs Äußerste angespannte politische Lage instrumentalisiert. Als Thomas Mann zu den Goethe-Feiern nach Weimar fuhr, rekapitulierte er wenig später: „Ganz eigenartig berührte die Vermischung von Hitlerismus und Goethe“.

Die „völkische“ Goethe-Verherrlichung stand nicht erst bevor, sie war bereits im Gange. Der Versuch des Reichskunstwarts Edwin Redslob, mit dem Goethejahr noch einmal so etwas wie eine Selbstverpflichtung der Republik auf das Ideal eines Kulturstaates zu manifestieren, war gescheitert. Reichskunstwart: was für ein Titel. Es hat nur einen einzigen Träger dieses Amtes gegeben, Redslob eben. Seine Zeit lief ab. Mit dem 1. März 1933 wurde er „beurlaubt“. Die Aufgaben seines Amtes übernahm von da an Joseph Goebbels.

„Um Deutschland als ,Kulturnation’ zu inszenieren, hatte Redslob einen eindrucksvollen Katalog propagandistischer Mittel entwickelt“, schreibt der Berliner Historiker Christian Welzbacher in einer neuen Redslob-Biografie: „Die Feier als Massenspektakel, Formgebung als Werbung für den Staat, Film, Ausstellung und Publizistik als Medien der Volksbildung, ästhetische Erziehungsarbeit als Bürgerkunde, Emotionalität als Identifikationsfaktor. Doch Redslobs Maßnahmen entfalteten keine dauerhafte Wirkung, weil sie von Gegeninszenierungen überlagert wurden. Die machtvollsten unter diesen Kundgebungen waren gegen den Staat gerichtet, es waren die Aufmärsche der nationalsozialistischen Bewegung.“

Redslob, geboren 1884 in Weimar, war ein Zeitgenosse der künstlerischen Moderne im jungen 20. Jahrhundert. Mit Ernst Ludwig Kirchner verband ihn eine schwierige Beziehung, doch schuf der Expressionist 1924 das eindrucksvollste Portrait Redslobs, der als jüngster Museumsdirektor Deutschlands eine glänzende Museumslaufbahn vor sich hatte, als ihn die grundstürzend gewandelten Verhältnisse 1920 nach Berlin auf das Amt des Reichskunstwartes riefen. Dieses Amt, und Welzbacher behandelt dessen Entstehung beinahe allzu lakonisch, war der schmale Rest, der in der Weimarer Nationalversammlung aus der groß gedachten Idee eines „Reichskommissars für Kulturaufgaben“ im Übergang von Kaiserreich zur Republik übrig blieb. Einen solchen Reichskommissar wollten die Länder aufgrund föderaler Vorbehalte um keinen Preis.

Was dann aus der untergeordneten Stelle des Reichskunstwartes wurde, das ist die eigentliche Lebensleistung Redslobs. „Gemeinsam mit den Künstlern der Moderne schuf er einen Symbolkanon, der vom Reichsadler bis zur Briefmarke, vom Geldschein zur Nationalflagge, vom Amtssiegel bis zur Staatsfeier reichte.“ Er inszenierte die Trauerfeiern für Rathenau, Ebert und Stresemann und suchte der wenig geliebten Weimarer Verfassung durch Volksfeste vor dem Reichstag die Sympathien der Bevölkerung zu sichern.

Anders als Welzbacher suggeriert, war Redslob jedoch nicht durchweg ein Mann der Moderne. Gerade im Jubiläumsjahr des 1919 gegründeten Bauhauses ist daran zu erinnern, dass er mit Walter Gropius zu keiner Zusammenarbeit fand, als dieser ein Rathenau-Denkmal vorschlug – nur zwei Monate, nachdem Gropius’ eigener Denkmalsentwurf für die „Märzgefallenen“ des Generalstreiks von 1920 in Weimar enthüllt worden war. Auch über Mies van der Rohes „Barcelona-Pavillon“ findet sich kein Wort. Da kann allerdings auf Welzbachers erstes Buch zurückgegriffen werden, „Die Staatsarchitektur der Weimarer Republik“. Deutlicher als in seinem neuen Buch kommt Welzbacher darin auf den steten Dualismus von Reich und Preußen – als dem bei weitem bedeutendsten Gliedstaat – zu sprechen. Bezeichnend, dass Redslob beim Wettbewerb für die Erweiterung des Reichstages 1927 forderte, „dass die drei großen Faktoren der Reichshauptstadt – Reichsgewalt, Landesregierung und Stadtverwaltung – zu einer einheitlichen Willensbildung gelangen.“

Umso erstaunlicher, wie es Redslob gelang, in diesem Geflecht der Zuständigkeiten seine Wirkung zu entfalten. Die Entlassung durch die Nazis setzte seinen Aktivitäten keineswegs ein Ende. Die Nachkriegsarbeit des da schon über 60-Jährigen ist mitnichten ein Nachspann: die Mitgründung des Tagesspiegels 1945, vor allem aber die Gründung der Freien Universität, deren Rektor er 1949/50 war – und deren Signet er entwarf, was geradezu wie eine Reminiszenz der Bemühungen der zwanziger Jahre wirkt. Welzbacher spart in seiner Biografie die zunehmenden persönlichen Animositäten nicht aus, die Redslobs Arbeit begleiten; zu ausgeweitet war das Beziehungsgeflecht, auf das sich dieser auf jedem Parkett souverän auftretende Geist und Grandseigneur stützen konnte. Redslob starb 1973.

Stoff genug also für mehr als dieses eine Buch, den Welzbacher da zusammengetragen hat; und dass es sich im Unterschied zu seinem Erstling nicht um eine Dissertation handelt, sondern um flüssig erzählte Zeitgeschichte, macht das Buch bis zur letzten seiner 408 Textseiten zu einem Lesevergnügen. Freilich eines, bei dem man immer wieder innehalten muss, und nicht nur bei Thomas Manns bitterem Zitat von „Hitlerismus und Goethe“. Redslob verkörpert eben jenen bürgerlichen Humanisten, der bei seinem heiß geliebten Goethe – ihm wollte er noch im höchsten Alter ein Buch widmen – zu finden glaubte, was in der politischen Wirklichkeit schon vor 1933 zerbrach, als Goebbels und Konsorten ihr Reich in Szene setzten.

Christian Welzbacher: Edwin Redslob. Biografie eines unverbesserlichen Idealisten. Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2009, 540 S., 29,80 €. – Ders.: Die Staatsarchitektur der Weimarer Republik. Lukas Verlag, Berlin 2006, 330 S., 48 €.

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