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Khaled Hossein: "Tausend strahlende Sonnen"

Geschmack von Kieseln: Khaled Hosseini über Frauen in Afghanistan.

Dieses Buch startet mit einer Auflage von 150 000 Exemplaren, und das liegt nicht an dem Werk selbst, sondern an Khaled Hosseinis vorherigem Buch „Der Drachenläufer“. Die emotionale Triebkraft für den inzwischen verfilmten Bestseller war die Geschichte zweier Jungen in Afghanistan – in „Tausend strahlende Sonnen“ sind es nun zwei afghanische Frauen: Wir machen Bekanntschaft mit dem unehelich geborenen Mädchen Mariam, das mit seiner Mutter in einer Hütte wohnen muss, während der reiche Vater mit seinen drei gültigen Frauen in Herat residiert. Nachdem Mariam versucht, von ihrem Vater aufgenommen zu werden, bringt sich ihre Mutter um, woraufhin die Tochter kurzerhand an einen stark behaarten, 30 Jahre älteren Schuster verheiratet wird. In der demütigenden Ehe verbündet sie sich schließlich mit der jungen Zweitfrau Laila.

Die gesamte Zivilbevölkerung Afghanistans war in den letzten 30 Jahren Opfer von Invasionen und Krieg, aber innerhalb der Bevölkerung sind die ständigen Opfer die Frauen. Diese potenzierte Opferrolle dekliniert Hosseini gnadenlos durch: Wie lernen, wie sich eine Burka anfühlt und wie die Kiesel im Mund, die die Frau zu kauen gezwungen wird, nachdem ihr Mann den Reis zu hart fand. Wir machen Bekanntschaft mit der Verachtung des Mannes für seine Frau, die keinen Sohn zustande kriegt, und mit seiner Willkür in Form einer Gürtelschnalle. Und wir wissen: dieses Schicksal ist nicht einzigartig, sondern exemplarisch. Denn der Autor hat ein Anliegen: Wir sollen Afghanistan verstehen. Damit das möglichst viele Leute können, riskiert er auch Sätze von großer Schlichtheit. Auf diese Weise erzählt er, was Fernsehnachrichten nicht können, seit das Land nur noch als Krisenherd wahrgenommen wird: Die liebenswerten Schrullen der Bewohner, ihren Alltag, von dessen Reizen wir ja kaum etwas wissen. Nach Hosseinis „Drachenläufer“ ist dies das zweite Plädoyer in gleicher Sache. Und es wird auf sehr ähnliche Weise gehalten: eine Kindheit, eine Jugend und das Erwachsenwerden vor dem Hintergrund der politischen Verwerfungen. Nur, dass man lieber einzigartige als exemplarische Geschichten liest.

Khaled Hosseini: Tausend strahlende Sonnen. Roman. Aus dem Amerikanischen von Michael Windgassen. Bloomsbury, Berlin 2007. 385 S., 22 €.

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