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Herr Doktor Sommer und sein angeblich sprechender Hund. „Bello, sag mal: Otto holt große rote Rosen.“ 

© Studio Loriot

„Loriots große Trickfilmrevue“ im Kino: Die Ente blieb draußen

Loriots Trickfilmsketche, ursprünglich fürs Fernsehen geschaffen, kommen ins Kino. Der große Humorist wäre in diesem Jahr 100 geworden.

Er hat den Nachkriegsdeutschen den feineren Humor beigebracht. Fein, weil sehr zivil, pathosfrei und mit einer ganz unteutonischen Dauerprise Selbstironie. Schon dass sich der geborene Preuße Bernhard-Viktor alias Vicco von Bülow seit seinen Anfängen kurz nach 1950 Loriot nannte, war ein Statement. Das war französisch für Pirol, den Wappenvogel des alten Geschlechts derer von Bülow.

Tatsächlich hat Loriot auf seine Weise wieder an die Geister der Weimarer Republik angeknüpft, ob an Erich Kästner und dessen Illustrator Walter Trier und den von den Nazis zu Tode gebrachten Erich Ohser, genannt e.o. plauen. Oder an den großen Absurden Karl Valentin. Im Herbst wird man den 100. Geburtstag Loriots feiern, aber das Jubiläumsjahr fängt jetzt bereits an.

So hat der Diogenes Verlag, das Stammhaus des einst unermüdlichen Bilder- und Geschichtenerfinders, gerade mit dem Titel „Wahre Liebe mit Loriot“ das 14. Bändchen seiner Cartoon-Reihe „Schöner Leben mit Loriot“ herausgebracht. Und in den Kinos startet „Loriots große Trickfilmrevue“.

Dieser von Peter Geyer inszenierte Bilderreigen ist eine kommentarlose Collage von 31 kurzen Loriot-Zeichentrickfilmen, die nun in digitaler Aufbereitung zu neuer optischer Brillanz animiert wurden. Nach seinen Erfolgen als Zeitschriftenkarikaturist vor allem für den „Stern“ und nach ersten kleinen Film- und Fernsehrollen hatte Loriot ab 1967 fünf Jahre im Süddeutschen Rundfunk in der Sendung „Cartoon“ neben internationalen Zeichentrickfilmen auch schon eigene Streifen präsentiert.

Vor seinen leibhaftigen TV-Sketches und den großen Kinoerfolgen mit der kongenialen Partnerin Evelyn Hamann („Ödipussi“, „Pappa ante portas“) folgten dann noch weitere cartoonistische Kabinettstücke. Mit Menschen und Tieren, denen allemal Loriots Grunderfindung, die bald zum Welterfolg ausgewachsene Knubbelknollennase zu Gesichte steht.

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Natürlich hat Peter Geyer als Collageur zusammen mit den koproduzierenden Loriot-Töchtern Bettina und Susanne von Bülow für die Kinoversion etliche Loriot-Klassiker ausgewählt. Nicht fehlen dürfen darum die Herren Müller-Lüdenscheidt und Dr. Klödner als nackte Kontrahenten in der kleinen, dank einer Hotelzimmerverwechslung gemeinsam geteilten Badewanne („Die Ente bleibt draußen!“).

Der Sketch wird hier sogar in drei Akte im doppelten Wortsinn aufgeteilt, und es ist hier wie in den meisten anderen Stücken ganz wunderbar, dazu auch Vicco von Bülows Stimmen zu hören. In immer neuen kauzigen, komischen Varianten. Hüstelnd, knödelnd, satirisch salbadernd. Für die akustischen Kontrapunkte sorgen neben „Träumereien“ von Robert Schumann oder einem Donauwalzer von Johann Strauß auch die Comedian Harmonists, wenn Loriots rundliche Herren als Chor und Band auftreten.

Ebenso gibt es den „Sprechenden Hund“, dem im Fernsehinterview eher dumpfbackige Laute als angeblich hochwissenschaftliche Sätze entlockt werden. Loriots tierischer Humor erweist sich zudem beim österlichen „Hasenbrüter“ oder der Frage „Sollen Hunde fernsehen?“

Diese in den 1960/70er Jahren für das noch relativ neue und absolut dominante TV-Medium erdachten Sketches waren damals witzige Selbstreflexe. Ebenso wie die wortspielerischen Parodien von traditionellem Eheverhalten, Politikerkauderwelsch und frühen Wirtschaftswundermacken.

Doch trotz ihrer optischen Auffrischung wirken diese humoristischen Miniaturen derart kontextlos aneinandergereiht und auf Leinwandgröße aufgeblasen heute auch sonderbar entrückt. Vor allem die noch zeitgebunden, patriarchalisch karikierten Mann-Frauen-Bilder erscheinen in ihrer milden Satirik inzwischen etwas altbacken.

Da hätte eine dokumentarisch-reflexive Aufbereitung mit Informationen zur Entstehungszeit und eigenen Auskünften Loriots eine doch lebhaftere Mischung aus Distanz und neuer Nähe befördern können. Reizvoll wäre auch gewesen, einige Zeichentrickepisoden mit den von Loriot und Evelyn Hamann so virtuos gespielten Realfilmsequenzen zu kontrastieren. Als eigenständiger Kinoessay über einen Halbjahrhundertkünstler.

Der alte Zauber lebt indes viel stärker auf beim Blättern in den neuen alten Loriot-Büchern, etwa dem jetzt präsentierten Diogenes-Bändchen „Wahre Liebe mit Loriot“. Die Knubbelnasenerotik beginnt schon bei Adam und Eva und führt zu den schönsten Sexsatiren, noch vor allen heutigen Genderdebatten.

Sitzt da eine Loriot-Dame bis zur baren Brust im ansonsten verdeckenden Badewannenwasser und moniert mit kokettem Fingerzeig Richtung Unterleib gegenüber einem gerade eintretenden Klempner „Sehen Sie, das Wasser läuft einfach nicht ab…“, dann ist das von tieferer Komik. Ein Kommentar jedenfalls zu allen Sex- und Pornofantasien, wie ihn so drastisch dezent nur der stilbewusste Preuße Vicco von B. erfinden konnte.

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