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Familienprojekt. Alan Sparhawk, seine Ehefrau Mimi Parker und Steve Garrington sind Low.

© Shelly Mosman

Low in Berlin: In Schönheit sterben

Die Klangpuristen Low spielen im Festsaal Kreuzberg ein Requiem auf Amerika. Ein gelungenes Live-Konzept für ihre stimmigen Soundexperimente vermisst man.

Von Andreas Busche

Verdienen hässliche Zeiten schöne Lieder? Das amerikanische Trio Low hat auf seinem 16. Album „Double Negative“ auf diese politisch so brisante wie hochaktuelle Frage eine einleuchtende Antwort gefunden: Trost und Schönheit suchen ist im gegenwärtigen Zustand Amerikas ein hoffnungsloses Unterfangen. So ein Statement ausgerechnet aus dem Mund der Zeitlupenelegiker Alan Sparhawk und seiner Ehefrau Mimi Parker, die seit über 25 Jahren das Familienprojekt Low leiten, ist schon eine Ansage. Eine Ansage ist auch das Eröffnungsstück „Quorum“, dessen feine digitale Haarrisse und zerfaserte Melodien den stilbildenden Slowcore der amerikanischen Indie-Institution sukzessive auflösen.

„Double Negative“ gehört zu den bemerkenswertesten künstlerischen Kommentaren zur Präsidentschaft Donald Trumps – dessen Name in den knapp 50 Minuten jedoch nicht ein Mal fällt. Wer mit dem minimalistischen, im ambienten Schönklang erstarrten Sound von Low vertraut ist, hört schon aus den instabilen, brüchig runterproduzierten Melodien auf „Double Negative“ ein Stimmungsbild heraus. Die elf Songs bilden eine organische Einheit. Produzent BJ Burton, der zuletzt Folk-Heulboje Bon Iver ein avanciertes Sounddesign verpasste, überwachte im Studio die graduellen Zerfallsprozesse. Wohl niemand hätte damit gerechnet, dass Low, eine der verlässlichsten, musikalisch homogensten Indie-Bands, sich im 25. Jahr ihres Bestehens noch einmal neu erfinden würden.

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Entsprechend antizipiert wurde das Konzert, das Low am Dienstag im Festsaal Kreuzberg gaben. Wie setzt die Band das Album live um, wie übersetzen sich die Störgeräusche der Politik in die repetitiven, schwermütigen Arrangements? Auf der Bühne werden Sparhawk und Parker wie immer von Steve Garrington am Bass begleitet, eine klassische Dreierbesetzung. Low sind Klangpuristen, ihre Musik trotzt allen Moden – was sich dann auch schnell als Manko herausstellt. Denn leider haben Sparhawk und Parker kein überzeugendes Live-Konzept für ihr neues Album gefunden, die Dramaturgie des Sets leidet unter dem Wechsel zwischen den Songs des Vorgängers „Ones and Sixes“, die ihre dunklen, freischwingenden Drones regelrecht zum Strahlen bringen, und den opak-stumpfen Stücken ihres aktuellen Meisterwerks.

Die zarte Brüchigkeit der Studioaufnahmen ist live einfach nur matschig abgemischt, Low zerstören die transparente Schönheit der neuen Stücke eher mutwillig statt kunstvoll. So entwickelt der Auftritt nur selten die liturgische Andacht, für die das Mormonenpaar von seinen säkularen Fans verehrt wird. Immer wieder erheben die wunderbaren Harmoniegesänge von Sparhawk und Parker die Stücke in feierliche Höhen, doch in diesem Jahr sind Low nicht gekommen, um Trost zu spenden. „It’s not the end, it’s just the end of hope“, singen sie – und entlassen ihre Fans schließlich mit einem dissonanten Abschiedsgruß namens „Disarray“. Chaos.

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