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Luftsäulenakrobatik: Volles Rohr

Die Trompete ist eines jener Instrumente, das zwar niemand überhört, dessen technische Möglichkeiten und Klangfarben einem breiten Publikum aber trotzdem meist verborgen bleiben. William Forman wirbt jetzt mit einem Festival für die Trompete.

Eigentlich ist ein Orchester eine ungerechte Sache. Bestimmte Instrumente dürfen sich aufführen wie Platzhirsche – die Streicher vor allem. Ohne ihren Klangteppich käme kein symphonisches Werk, kein Opernabend aus. Die anderen sorgen für Farbtupfer: Die Harfe, wenn es zärtlich wird, das Horn, wenn die Jagd ansteht – oder die Trompete. Sie ist eines jener Instrumente, die zwar niemand überhört, deren technische Möglichkeiten und Klangfarben einem breiten Publikum aber trotzdem meist verborgen bleiben. Denn im klassischen und romantischen Repertoire, das die Spielpläne dominiert, kommt sie nicht oft zum Einsatz.

„Während die meisten Instrumente ihr klangliches Profil früh ausgebildet haben, beginnt die große Zeit der Trompete erst mit dem 20. Jahrhundert und der Moderne“, sagt William Forman. Der gebürtige New Yorker ist Professor für Trompete an der Berliner Hochschule für Musik „Hanns Eisler“, er ist mit den Berliner Philharmonikern aufgetreten und war Mitglied des Frankfurter Ensemble Modern. Außerdem hat er mit vielen zeitgenössischen Komponisten wie Stockhausen, Zappa oder Ligeti zusammengearbeitet, um das Repertoire für sein Instrument zu erweitern. Mit dem von ihm konzipierten dreitägigen Festival Totally Trumpet will er zeigen, wie bedeutsam die Trompete inzwischen für die Musik der Gegenwart ist.

Im Probenraum: Auf einer silbrigen C-Trompete spielt Forman eine Naturtonreihe. Die Tonfolge entsteht, wenn man die Luftsäule im Inneren des Instruments entlang der natürlichen Überlagerung der Wellen immer weiter unterteilt. Zwischen dem tiefsten und dem nächsthöheren Ton liegt noch eine ganze Oktave, in aufsteigender Reihenfolge werden die Intervalle immer geringer. „Im Barock konnte man auf der Trompete nur diese Naturtöne spielen“, erklärt Forman, „was dazu führte, dass die Lage meist sehr hoch war, weil der Komponist dort mehr Töne zur Verfügung hatte als im tiefen Bereich.“

Die Herkunft der Trompete war militärisch

Revolutionär war die Einführung der Ventile zu Beginn des 19. Jahrhunderts, die das Rohr verlängerten und damit die Möglichkeiten des Instruments enorm erweiterten. An der klaren Rolle ändert das aber nichts: Die Herkunft der Trompete war militärisch. Noch zu Bachs Zeiten wurden Trompeter nicht als Musiker angesehen. Große Konzerte für Trompete als Soloinstrument gab es im 19. Jahrhundert, mit Ausnahme des Trompetenkonzerts von Johann Nepomuk Hummel, nicht. Für Gustav Mahler taugte die Trompete immerhin zum Ausdruck lyrischer Empfindungen. Forman spielt ein inniges Thema aus dem ersten Satz seiner 5. Symphonie: „Eigentlich gehören da noch Bratsche und Cello dazu. Der Trompete allein wollte wohl auch Mahler das nicht anvertrauen.“

Nach 1900 emanzipiert sich die Trompete zuerst in Amerika. Im Jazz spielt sie plötzlich eine wichtige Rolle. Eine weitere Revolution, die Weiterentwicklung der Dämpfer, führt zu ungeahnten neuen Ausdrucksmöglichkeiten. Erstmals muss die Trompete keine Funktion mehr erfüllen, sondern darf alleine Stücke tragen. Igor Strawinsky und Alban Berg schreiben Kammermusik für sie, später Bohuslav Martinu und Arthur Honegger. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beginnen Komponisten zunehmend, elektronische Musik zu verwenden, weil sie es erlaubt, schnell Klangfarben und Dynamik zu wechseln. Und die Trompete eignet sich gut für diese Kompositionen. Das wird man auch auf dem Festival hören. In „Ricercare una melodia“ (1984) und „Other Presences“ (2007) von Jonathan Harvey heute um 22 Uhr etwa: Die Trompete gibt ein Thema vor, das die Elektronik dann eine Oktave tiefer und mit halbem Tempo wiederholt, es entstehen Loops, die anfangen, sich zu überlagern.

Dann spielt Forman „iv 6“ von Mark Andre, das am Samstag um 19 Uhr uraufgeführt wird: Das vielleicht leiseste Trompetenstück der Musikgeschichte. Töne am Rand der Hörbarkeit. Trotzdem gibt es Tonhöhen und Strukturen. Wer nach dem Besuch von Totally Trumpet das nächste Mal im klassischen Konzert sitzt, dürfte die Trompete mit anderen Ohren hören.

Totally Trumpet, Freitag 23. bis Sonntag 25.4., Info: www.totally-trumpet.de

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