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Zwei Polizisten bewachen die wertvolle zeitgenössische Kopie von Leonardos „Salvator Mundi".

© dpa

Warum Kunst gestohlen wird: Lukrative Leinwände

Diebe können berühmte Gemälde nicht verkaufen, aber Lösegeld erpressen. Manche Werke werden gleich mehrfach Opfer von Artnapping.

Gute Nachricht aus Neapel: Letzte Woche stellte die Polizei in der Abstellkammer einer Wohnung ein Gemälde sicher, eine Kopie des „Salvator Mundi“ von Leonardo, der vor drei Jahren für 450 Millionen Euro versteigert wurde. Das Bild war kurz zuvor im Museum der Basilika Domenico Maggiore gestohlen worden. Auch wenn es sich um eine Kopie handelt, ist sein Wert trotzdem beträchtlich, denn es soll von einem Zeitgenossen Leonardos gemalt worden sei.

Der Besitzer der Wohnung, in dem das Werk aufgetaucht war, beteuerte vergeblich, dass er das Bild auf dem Flohmarkt erstanden hätte; er wurde wegen Hehlerei inhaftiert.

Happy End also für einen Kunstraub. Wann immer dies vermeldet werden kann, macht sich Erleichterung breit: Die Bösen sind geschnappt. Allerdings stimmt das nur zum geringeren Teil. Kunstdiebstahl ist ein einträgliches Geschäft, in den wenigsten Fällen werden die Täter gefasst.

Die Diebe gehen immer brutaler vor

In ihrem 2020 erschienenen Buch „Kunst und Verbrechen“ beschreiben die beiden Journalisten Stefan Koldehoff und Tobias Timm, wie rücksichtslos zunehmend die Diebe vorgehen, welchen Schaden sie anrichten: mehrere Milliarden Dollar jährlich weltweit. Da werden Türen aufgebrochen, Vitrinen mit der Axt zerschlagen wie beim Dresdner Grünen Gewölbe oder am hellichten Tag Besucher mit abgesägten Gewehren bedroht wie 2004 im Osloer Munch-Museum, wo Maskierte zwei Gemälde des norwegischen Malers erbeuteten. Kunstraub und Gentlemanverbrechen bilden schon lange kein Paar mehr.

Ist wieder einmal ein spektakulärer Kunstraub passiert, kommt ebenso regelmäßig die Frage auf: Wer kann Interesse an solchen Werken haben, was passiert mit ihnen? Der manische Sammler, der in seinen Keller hinabsteigt, um dort im Verborgenen seine verbotenen Schätze zu genießen, ist eher Legende.

Die Diebe wollen Reibach machen. Entweder geht es ihnen um den reinen Materialwert wie bei der aus dem Bode-Museum entwendeten, 100 Kilogramm schweren Goldmünze Maple Leaf, ebenso bei den Juwelen aus dem Grünen Gewölbe in Dresden. Oder um Erpressung der Versicherungen und bestohlenen Sammlungen – Geld gegen Rückgabe.

Die Unterwelt schätzt die berühmten Bilder

Artnapping nennt sich das üble Geschäft, das nach Einschätzung von Interpol neben Drogen- und Menschenhandel zu den lukrativsten Verbrechen gehört. Denn Bilder sind ausgesprochen pflegeleichte Geiseln.

Auf dem Markt ist die heiße Ware kaum loszuwerden, über elektrische Datenbanken sind Händler, Sammler, Auktionshäuser sofort informiert. Stattdessen beginnt hinter den Kulissen häufig Jahre später eine Annäherung zwischen Dieb, Staatsanwaltschaften und Versicherungen. Hier sind die Aussagen der Versicherer widersprüchlich: Während die einen behaupten, sie zahlten lieber ein Lösegeld als die volle Versicherungssumme, heißt es bei anderen, sie ließen sich nur ungern erpressen.

Doch die gestohlene Kunst hat noch einen anderen Wert. Sie wird zu einer Währung der besonderen Art. Umso prominenter ein Werk ist, umso mehr zählt es auch in der Unterwelt. Ein Bild kann als Verhandlungsmasse dienen, nicht zuletzt um den eigenen Kragen zu retten, sollte der Täter in einem anderen Zusammenhang erwischt werden. Das erklärt auch, warum bestimmte Bilder immer wieder gestohlen werden – je öfter sie entwendet wurden, desto sicherer ist die Wertanlage für den Dieb. Mit gutem Kunstgeschmack hat das alles wenig zu tun. Häufig recherchieren Räuber im Netz nach berühmten Coups und schlagen deshalb wieder zu, wie der Amsterdamer Kunstdetektiv Arthur Brand jetzt der „New York Times“ erzählt hat.

Ein Rembrandt-Meisterwerk wurde vier Mal gestohlen

Graham Bowley, Investigativreporter der „New York Times“, hat sich anlässlich des spektakulären Raubs eines Frans-Hals-Gemäldes im holländischen Städtchen Leerdam ebenfalls die Frage gestellt. Im vergangenen Sommer war es zum dritten Mal seit 1988 gestohlen worden.

Lag es an der schlechten Sicherung des Museums Hofje van Mevrouw van Aerden, einem Armenhaus für unverheiratete Frauen, das die aus dem 18. Jahrhundert stammende Sammlung seiner Gründerin, Maria van Aerden, laut Satzung zeigen muss? Oder war es das hinreißende Vermeer-Gemälde, das zwei Burschen mit einem Bierkrug zeigt, ein typisches Motiv für den Maler?

Nein, Frans Hals’ „Twee lachende jongens“ teilen das Schicksal von Munchs „Schrei“, der zwei Mal in Oslo entwendet wurde, Jacob van Ruisdaels „Kornfeld“, das drei Mal aus einem Herrenhaus nahe Dublin Beute von Dieben war, und Rembrandts Porträt des „Jacob de Gheyn III“ aus der Londoner Dulwich Galerie, das mittlerweile sogar als „The Takeaway Rembrandt“ firmiert, weil es zwischen 1967 und 1983 vier Mal geraubt wurde. Durch die Geschichte ihres mehrmaligen Raubs sind die Werke in ihrer Echtheit bestätigt. Auch Diebe wissen das als einen Wert zu schätzen.

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