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Kultur: Manager der Renaissance

Zum 500. Geburtstag des Malers, Architekten und Schriftstellers Vasari

Ohne Giorgio Vasari besäßen wir keine Vorstellung vom Künstler der Renaissance, ja kaum ein Bild vom Künstler überhaupt. Vasari, der vor 500 Jahren, am 30. Juli 1511 im toskanischen Arezzo geborene Sohn eines Kaufmanns, gelernter Maler und später auch Architekt und zudem gelegentlich Dichter, repräsentiert den sozialen Typus des Künstler-Aufsteigers. 1550 und in erweiterter Fassung 1568 veröffentlicht er die „Lebensbeschreibungen der herausragendsten Maler, Bildhauer und Architekten“ – die Quelle zur Renaissance überhaupt. Es sind mit Anekdoten gespickte, lebenspralle Erzählungen von Alltagsnot wie Festtagsglück, durchweg literarische Kabinettstücke, aber zugleich eine Fundgrube zur Sozialgeschichte ihrer Epoche.

108 Künstler hat Vasari in eigenen Kapiteln gewürdigt, dazu Dutzende weitere in zusammenfassenden Darstellungen einzelner „Schulen“. Die insgesamt über 1000 Seiten umfassenden Künstlerbiografien enden 1568 mit der Selbstbeschreibung „Mein Leben“. Mit diesem Text stellt er sich in eine Reihe mit eben jenen herausragendsten Künstlern, die er in einem Dreischritt von Wiedergeburt, Aufstieg und Höhepunkt der Kunst Revue passieren lässt. Italien ist bei Vasari das Land, in dem die Kunst sich aus dem Dunkel der Gotik erhebt, Florenz die Stadt, in der sie ihre Blütezeit erreicht, die nichts anderes ist als die Zeit Vasaris.

Er war Hofkünstler der Medici und brachte es bis zum allzuständigen Kunstintendanten des Herzogs Cosimo. Acht Jahre jünger als der Künstler, endete dessen 37-jährige Regentschaft 1574, Monate nur vor dem Tod Vasaris. Cosimo wurde zum Zentralgestirn des Künstlers, als Auftraggeber, weiser Fürst und nicht zuletzt Feldherr, als den ihn der Künstler, nebenbei einer der produktivsten Maler seiner Zeit, in einem Fresko verewigt hat.

Dieses Portrait im Palazzo Vecchio, dem Florentiner Amtssitz des Herzogs, zeigt den Fürsten nicht etwa als siegreichen Krieger, sondern als kühlen Strategen am Zeichentisch. Cosimo selbst ist also Zeichner und Architekt, gerade so wie Vasari, der ihn hier quasi als seinesgleichen verewigt. Der Fürst ist der geradezu archetypische Machiavellist, der die überkommene Stadtrepublik Florenz beiseiteräumt, um einen proto-modernen Territorialstaat zu errichten. Erst erobert er Ländereien mit Siena als Herzstück, um anschließend eine zentral gesteuerte Bürokratie zu etablieren.

Vasari schien lange Zeit damit kaum etwas zu tun gehabt zu haben. Er gilt vielmehr als „Vater der Kunstgeschichte“. Damit ist er unsterblich geworden. Andererseits hat der Ruhm seiner „Viten“ den Ruf als Künstler, als Architekt und vor allem als Maler, nachhaltig beschädigt. Der Geniekult, den Vasari inszeniert, namentlich um Michelangelo, hat im Urheber sein eigenes Opfer gefunden. Seine Bauten und vor allem Gemälde galten lange Zeit als trocken, uninspiriert, ja epigonal. Überlebt hat der Kunst-Schriftsteller.

Allenfalls, dass Vasari mit seinem Postulat vom Vorrang des disegno die Kunst auch theoretisch aus ihrer handwerklich-zünftigen Beschränkung befreit hat, wurde stets anerkannt. „Disegno“ als bloße Zeichnung zu verstehen, greift allerdings zu kurz. Der Begriff meint zugleich Idee und Konzept, die gedankliche Vorbereitung vor der Ausführung, die erst der zeichnenden Hand bedarf – eben das, was Vasari dem Kartentisch-Feldherrn Cosimo zuschreibt.

Vasari wusste seine Aufgaben ganz im Sinne der Medici auszuführen. Die von ihm geleitete Umgestaltung des Palazzo Vecchio vom Sinnbild der Stadtrepublik zum Repräsentationsort des Herzogs begründete er so: Das Bau sei „Zeugnis der Unordnung der vielen wechselnden vergangenen Regierungen“ – der republikanischen nämlich. Cosimo hingegen habe mit dem Umbau „seine schöne Methode demonstriert, mit der er auch die Regierungsform korrigiert hat, die nun nicht mehr dem Willen vieler, sondern nur einem, seinem Willen gehorcht“.

Der Hofkünstler war es, der diesem Willen zur Erscheinung verhalf. Die Uffizien, die Zentralbehörde des Herzogtums, geben dem Willen zur Allzuständigkeit des Fürsten die architektonische Form. Den 13 darin untergebrachten Behörden sind identische Raumfolgen zugewiesen, innerhalb eines Bauwerks von nahezu spiegelbildlicher Gleichförmigkeit. Den Fluchtpunkt bildet die Loggia zum Fluss hin – wo eine Statue des Herzogs deutlich macht, auf wen die Macht zugeschnitten ist. Zwischen 1560 und 1580 ausgeführt, wirken die Uffizien geradezu als Bühnenarchitektur.

Vasari, der 1574 starb, hat die Fertigstellung des Behördengebäudes nicht mehr erlebt. Erst 1580 war der Bau aufgerichtet. Obgleich er sich stets als „Maler und Architekt“ bezeichnete, wollte Vasari allein als Maler in Erinnerung bleiben. Eben dies ist ihm gerade nicht gelungen. Schon zu Lebzeiten saß der Stachel des von Zeitgenossen – darunter ausgerechnet der vergötterte Michelangelo – erhobene Vorwurf der Schludrigkeit tief. „Der ungeheure und bedeutende Anlass“, so schreibt er zu seiner beispiellos schnellen Ausmalung des Herzogspalastes, „soll mir Entschuldigung sein, falls ich aufgrund solcher Eile die Erwartungen nicht ganz erfüllt haben sollte.“ Solche Selbstkritik hat die Kunstgeschichtsschreibung bis heute gegen den Künstler gewendet. „Kein einziges Gemälde Vasaris, kein architektonisches Motiv und nicht ein Vers aus seiner Feder“, konstatiert Gerd Blum nüchtern in seiner soeben erschienenen Biografie „Giorgio Vasari. Der Erfinder der Renaissance“, ist „als großes Meisterwerk in das kollektive Gedächtnis eingegangen.“

Zwar beschäftigte der Kunst-Unternehmer Vasari eine Fülle von Gehilfen, behielt jedoch immer die Kontrolle. Er war rastlos tätig. Der Tod ereilte ihn während der Ausmalung der Kuppel des Florentiner Doms. „Der viel beschworene ,Uomo universale'“, so Martin Warnke in seiner bahnbrechenden Studie „Hofkünstler“, „ist eigentlich nur die Stellenbeschreibung des höfischen Kunstintendanten.“

Nicht als Machtzentrum – wie die Medici hofften – hat Florenz überdauert, sondern als Schöpfungsort der Renaissance, der Wiedergeburt der Antike. Dieser Renaissance hat Giorgio Vasari in seinen Künstlerviten bleibenden Ausdruck verliehen. Zugleich wendet er auf die rinascità einen melancholisch getrübten Blick, wenn er befürchtet, von nun an – nach dem Tod Michelangelos 1564 – könne es „nur noch abwärts gehen“. Vasari definiert die Renaissance als eine bereits abgeschlossen Epoche. Umso mehr werden die „Viten“ als historische Quelle verstanden – und als solche überschätzt. Vielmehr sind sie als literarische Schöpfung zu würdigen, mit – so Blum – „rhetorischer Verve und dichterischem Witz“.

Die Fürstenverherrlichung ist die eine, die literarische Verbrämung und Überhöhung der höfischen Gebundenheit des Künstlers die andere Seite des Giorgio Vasari. Darum betont er umso stärker, dass sein schöpferisches Vermögen allein aus „Tugend“ und „Liebe zur Kunst“ erwachsen sei. Mit Vasaris Selbstreflexion wird die Abhängigkeit des Hofkünstlers zum Thema, mit ihm setzt zugleich der Geniekult ein, ja die Verherrlichung der Renaissance überhaupt. Sie ist recht eigentlich die Erfindung des Giorgio Vasari.

Im Berliner Verlag Klaus Wagenbach erscheint die kommentierte Neuausgabe der „Viten“ Giorgio Vasaris in 45 Bänden, hrsg. von Alessandro Nova. Darunter Giorgio Vasari: Mein Leben, kommentiert von Sabine Feser, Berlin 2005, 192 S., 13,90 €. - Den neuesten Stand der Forschung spiegelt die Biografie von Gerd Blum: Giorgio Vasari. Der Erfinder der Renaissance. C.H.Beck, München 2011, 320 S., 24,95 €.

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