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Maria Krykov tritt ihren neuen Job im April an.

© McCall Huus

Maria Krykov spielt im Konzerthaus: Im Rausch der Tiefe

Von Helsinki nach Berlin: Maria Krykov wird in der kommenden Saison Solo-Kontrabassistin des Konzerthausorchesters. Schon jetzt ist sie im Konzert zu erleben.

Wer abends im Konzertsaal sitzt und ins Orchester blickt, kann sehen, dass es in der Klassik immer noch Männer-Bastionen gibt: Zum einen ist da der Beruf des Dirigenten – wobei die Frauen hier langsam aufholen.

Auch bei den Posaunen und Trompeten, den Kontrabässen und beim Schlagwerk sind weiterhin kaum Spielerinnen zu finden. Weil sich Mädchen oft für die vermeintlich typisch weiblichen Instrumente entscheiden, also die kleinen, zierlichen wie Flöte und Geige.

An der Hanns Eisler-Hochschule holte sie sich den letzten Schliff

Maria Krykov dagegen steuert als Sechsjährige zielstrebig auf das größte der Streichinstrumente zu, als sie in der Grundschule die Wahl hatte. Und sie versteht sich sofort bestens mit dem Kontrabass: Das Üben macht ihr Spaß, jeden Tag hat sie Unterricht in ihrer musikbetonten Schule in Helsinki, viermal wöchentlich in der Gruppe, einmal einzeln.

Nach dem Abitur beginnt sie ein Studium an der Sibelius Akademie in ihrer Geburtsstadt, lernt bei einem finnischen Festival einen Professor von der Essener Folkwang Schule kennen und wechselt nach Deutschland. Den letzten Schliff holt sie sich dann bei Matthew McDonald, dem Solo-Kontrabassist der Berliner Philharmoniker, der an der Hanns Eisler-Hochschule unterrichtet.

Nach coronabedingen Verzögerungen kann Maria Krykov endlich ihr Konzertexamen ablegen. Und zwar öffentlich, mit einem Auftritt in der Reihe „Eisler Stars“, die die Hochschule zusammen mit dem Konzerthaus am Gendarmenmarkt veranstaltet.

Dabei will sie den Beweis antreten, dass der Kontrabass ein unterschätztes Instrument ist. Sie wird Arrangements von Maurice Ravels Violin-„Habanera“ und Johannes Brahms e-Moll-Cellosonate spielen sowie eine Originalkomposition von Giovanni Bottesini, der als Dirigent die Uraufführung von Giuseppe Verdis „Aida“ leitete, vor allem aber als größter Kontrabass-Virtuose seiner Zeit galt und viel für das Instrument komponiert hat.

[Eisler Stars, 14.6., 20 Uhr, kleiner Saal des Konzerthauses. Nach Maria Krykov spielt die Pianistin Yundi Xu Werke von Chopin und Rachmaninow.]

Doch auch er kam letztlich nicht an gegen die hartnäckigen Vorurteile: Als schwerfällig gilt der Kontrabass, als sperrig, unhandlich, ja gar als täppisch. „Im schnellen Spiel“, liest man in „Riemanns Handbuch der Instrumente“, „behält der Lauf so tiefer Töne immer etwas Groteskes“.

Die brutalste Charakterisierung aber findet sich bei Patrick Süskind in seinem 1980 entstandenen Ein-Mann-Theaterstück „Der Kontrabass“: „Er sieht aus wie ein fettes altes Weib. Die Hüfte zu tief, die Taille total verunglückt; und dann diese schmale, hängende, rachitische Schulterpartie – zum Wahnsinnig werden.“

Kein Wunder, dass die Bässe im Orchester ganz nach hinten verbannt sind. Als Sisyphusse des Musikbetriebs verrichten sie ihre Arbeit, liefern nur das akustische Fundament, dürfen nie die schönen Melodien spielen.

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Lässt man sie aber aus dem Schatten heraustreten, offenbaren sie ungeahnte Qualitäten: Dieses Trumm ist nämlich nicht nur ein hervorragender Sänger, mit fast fünf Oktaven Stimmumfang, vom urgewaltigen Grummeln, das in den Brustkorb fährt, bis hinauf zum flötenden Flageolett, sondern auch das körperlichste, ja erotischste aller Instrumente. Man vergleiche nur die verquetschte Körperhaltung der Geiger, schaue den Harfenistinnen zu, wie sie die Saiten kaum kitzeln. Bläser brauchen gespitzte Lippen, Perkussionisten schlagen zu.

Ähnlich engen Körperkontakt gibt es nur noch beim Cello. Doch während dort stets die Spieler:innen dominieren, wenn sie das Instrument zwischen die Schenkel klemmen, bleiben die Machtverhältnisse beim Kontrabass prickelnd in der Schwebe. Er kann großer Bruder sein oder hoch gewachsener Lover. Die Spieler:innen schmiegen sich an sein Holz, umarmen den Korpus, lassen das Instrument an ihrer Seite tanzen.

Verglichen mit Geigenkolleg:innen müssen die Kontrabassist:innen allerdings bei virtuosen Stücken mit der linken Hand derart auf dem Griffbrett hin und her flitzen, dass man ihnen Kilometergeld zahlen sollte. Und die Transportfrage ist ohnehin ein Horror.

Mit Kofferkiste wiegt das Ding 33 Kilo – und lässt sich bei vielen Fluggesellschaften nur mit Mühe in den Laderaum diskutieren. Wählt man die leichtere Variante der gepolsterten Transporthülle, muss man in Bahn und Bus höllisch aufpassen, dass kein Malheur passiert. Dafür kann man die Hülle im Notfall als Schlafsack verwenden.

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Maria Krykov hat schon früh im Studium angefangen, bei Wettbewerben mitzumachen – und Preise zu gewinnen. Wichtiger war ihr dabei aber vor allem die Möglichkeit, Praxiserfahrungen zu erwerben. „Als Kontrabassistin kann man nicht oft solistisch mit Orchester auftreten“, sagt sie. „Wer es in die Finalrunde eines Wettbewerbs schafft, bekommt aber diese Möglichkeit.“ Und wird hinterher vielleicht noch zu weiteren Konzertauftritten eingeladen. Maria Krykov konnte unter anderem in Baden-Baden, Trier und beim Münchner Kammerorchester ihr Können als Solistin zeigen.

Es folgten – noch während ihrer Studienzeit – ein Orchesterpraktikum in Köln, die Zeit als Akademistin beim Deutschen Symphonie-Orchester Berlin und schließlich 2019 eine erste Festanstellung in ihrer Heimat. „Beim Philharmonischen Orchester Helsinki hatte ich mich gemeinsam mit meinem Freund Piotr Zimnik beworben, der ebenfalls Kontrabass spielt“, berichtet Maria Krykov. „Ich bekam damals den Job, er nur einen Zeitvertrag. Darum hat er sich umgeschaut, und dann das Probespiel bei den Berliner Philharmonikern gewonnen. Danach habe ich mich dann auch wieder in der Stadt umgeschaut.“

Und zwar erfolgreich: Im April wurde sie für die Position der Solo-Kontrabassistin beim Konzerthausorchester ab der kommenden Saison engagiert. Ihr „Eisler Stars“-Recital am Gendarmenmarkt ist also gleichzeitig Maria Krykovs offizieller Studienabschluss – und ihr solistisches Debüt in dem Haus, das ihre künstlerische Heimat sein wird.

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