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Künstlerin Maria Lassnig 2009 vor ihren Bildern

© dpa

Maria Lassnig, Grande Dame der bildenden Kunst Österreichs: Alle meine Farben

Ihr Durchbruch begann spät, da war sie schon über 60. Doch dann wurde Maria Lassnig die bedeutendste bildende Künstlerin Österreichs. Jetzt ist sie 94-jährig in Wien gestorben.

Sie war die Grande Dame der Malerei Österreichs, die bedeutendste bildende Künstlerin des Landes im 20. Jahrhundert. Wer einmal ein Bild Maria Lassnigs gesehen hatte, der vergaß es nicht so schnell: die kräftigen, giftigen Farben, die energetischen Formen, die mal humorvollen, mal bissigen, aber immer drastischen Sujets. Meist waren es Selbstporträts der wenig schmeichelhaften Sorte. Und doch hat der Erfolg für diese große Realistin auf sich warten lassen. Nicht ganz bis zuletzt, in den vergangenen zwanzig Jahren wurde die Malerin vom Kunstbetrieb geradezu auf Händen getragen: von der Documenta in Kassel nach Venedig zur Biennale, von diversen Preisverleihungen zu Einzelausstellungen in renommierten Häusern und umgekehrt. Mit Maria Lassnig konnte man sich schmücken, während die Künstlerin ihrerseits die vielen Ehrungen mit einem gewissen ungläubigen Staunen, aber großem Selbstbewusstsein entgegennahm.

Der Durchbruch kam für die begnadete Einzelkämpferin erstaunlich spät, erst als 61-Jährige, mit der Berufung als erste Professorin 1980 an die Wiener Akademie. Für Maria Lassnig wurde das Amt zur Bürde, für die Kunstszene zum Zeichen offizieller Anerkennung. Darin ist sie nur noch der französischen Bildhauerin Louise Bourgeois vergleichbar, die ebenfalls eine erstaunliche Alterskarriere hinlegte und in ihren letzten Lebensjahrzehnten ein ganz eigenes Œuvre schuf. Dass auch Maria Lassnig, die schier Alterslose und grenzenlos Energiegeladene, einmal müde werden könnte, man ahnte es schon im vergangenen Jahr. Den Goldenen Löwen der Biennale di Venezia für ihr Lebenswerk holte sie sich damals schon nicht mehr persönlich ab, die noch bis 25. Mai im PS 1 des New Yorker Museum of Moderne Art laufende Ausstellung konnte sie ebenfalls nicht mehr selbst eröffnen. Die Künstlerin starb am Dienstag mit 94 Jahren in Wien.

Bei den Surrealisten um André Breton holte sie sich ihr Rüstzeug

Mit der Wiederkehr der Malerei in den neunziger Jahren auf dem internationalen Parkett erlebte auch Maria Lassnig ihr Comeback. Dabei ließ sie sich nie in eine Schule oder eine Richtung einordnen. Das Kärtner Bauernkind, unehelich geboren, bewahrte sich seine Eigensinnigkeit. Mit dem Fahrrad war die junge Künstlerin 1941 nach Wien geradelt, um sich erfolgreich an der Akademie zu bewerben und flog doch schon zwei Jahre später wieder aus der Meisterklasse wegen „entarteter“ Malerei.

Das ihr sowohl daheim auf dem Lande als auch an der Akademie entgegenschlagende Unverständnis prägte ihre Malerei, mit der sie zeitlebens eine Form der Introspektion betrieb. Das Rüstzeug dafür holte sie sich bei den Surrealisten um André Breton, dem sie während eines dreijährigen Paris-Aufenthaltes Anfang der Fünfziger begegnete. Doch Lassnig malte ihr Innenleben nicht zart und subtil, sondern mit einer Urkraft, mit Verzerrungen und Überdehnungen, die damals beängstigend gewirkt haben dürften. Anfang der Sechziger begann sie sich selbst als „Monster“ zu porträtieren, einer Mischung aus Mensch und Tier. Als sie 1968 nach New York wechselte, kamen auch dort ihre Körperbewusstseinsbilder, wie sie sie nannte, nicht gut an. Auf der Suche nach Neuorientierung schrieb sich die Malerin bei einem Zeichentrickkurs der School of Visual Arts ein. Die klare Linie, ein gewisser piktografischer Stil in Anlehnung an die Pop-art behielt sie auch für ihre späteren grafischen Arbeiten bei – ebenso die selbstironische Note.

Expressionismus, Realismus, Surrealismus, Body-art – Lassnig nahm sich, was sie gebrauchen konnte. „Verwerft den Stil, wechselt ihn jede Woche“, lautete ihr Credo. Lassnigs Kompass war die eigene Befindlichkeit. Sie male wie mit einer Thermokamera, hat die Künstlerin einmal ihre Technik zu erklären versucht. Zur Anwendung kamen dabei „Gedankenfarben, Geruchsfarben, Fleischdeckfarben, Schmerzfarben, Qualfarben, Nervenstrangfarben, Druck- und Völlefarben, Quetsch- und Brandfarben, Todes- und Verwesungsfarben“. Da konnte sie auch schon mal einen quietschgelben Körper mit violetten Konturen besitzen wie in jenem schonungslosen Selbstporträt als nackte „Froschkönigin“. Eine Hoheit der Malerei blieb sie trotzdem stets.

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