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Bei der Premiere des Films "Helle Nächte" schien das Licht nur auf dem Roten Teppich.

© Manfred Thomas/Tsp

Martensteins Berlinale (5): Lieber Arbeitsurlaub in Kasachstan

Kein Wort in den ersten Minuten und ein immergraues ödes Land: Warum man nach "Helle Nächte" niemals Urlaub in Norwegen machen wird. Ein Kommentar.

Schon wieder spielt ein deutscher Wettbewerbsbeitrag in Norwegen. Diese Norwegophilie hängt offenbar mit der norwegischen Filmförderung zusammen. Liebe Norweger: Ihr werft euer Geld zum Fenster raus, wenn ihr es deutschen Regisseuren gebt. Nach „Helle Nächte“ von Thomas Arslan schworen alle, mit denen ich sprach, dass sie, infolge dieser traumatisierenden Seherfahrung, niemals Urlaub in Norwegen machen werden. Das Land kommt bei Arslan so immergrau und öde rüber – lieber in Kasachstan Arbeitsurlaub in einem Sägewerk als Sommercamping an einem norwegischen See.

In den ersten Minuten wurde kein Wort gesprochen. Nach zwei Stunden schaute ich auf die Uhr, da waren erst 20 Minuten um. Dieser Satz ist ein Zitat. Warum soll ich ständig originell sein? Regisseure sind es auch nicht. Endlich lief diesmal übrigens ein Woody-Allen-Film im Wettbewerb, nicht außer Konkurrenz wie sonst immer. Den Woody-Allen- Film hatte nämlich „Sally Potter“ gemacht, offenbar ein Pseudonym. Allen ist meistens gut, auch unter dem Namen Potter. „The Party“ gehört zum neuen Genre „Genderkomödie“. Alle Männer sind schwach, die Frauen und die Dialoge sind stark, die sexuellen Identitäten stetem Wechsel unterworfen. Nur ein Geschlechterklischee scheint alle Revolutionen zu überstehen. Wenn die frisch ernannte Ministerin, die Professorin oder die sehr späte Mutter, deren junge Geliebte aufgrund eines Befruchtungsunfalls Drillinge erwartet, sich zum Reden zurückziehen, Reden über die kranken, zugedröhnten oder der Esoterik verfallenen Männer, dann nehmen sie immer noch gerne die Toilette als Konferenzort. So viel zu Unisextoiletten.

Ein neues Genre: Das Patchworkfamiliendrama

In „Helle Nächte“ kämpft ein getrennt lebender Vater um die Liebe seines Sohnes. Ein anderes neues Genre: das Patchworkfamiliendrama. Sehr gut fand ich das Patchworkdrama „Die Tochter“ von Mascha Schilinski, Drehort Griechenland. Das getrennte Paar findet wieder zusammen. Die Tochter (8) hat sich daran gewöhnt, Prinzessin zu sein, vergöttert vom Vater, versorgt von der Mutter, jederzeit in der Lage, die von schlechtem Gewissen geplagten Eltern gegeneinander auszuspielen. Sie will die beiden wieder auseinanderbringen und schafft es auch. Die Agentur der kleinen Hauptdarstellerin Helena Zengel heißt „Mittekind“. Das Casting für Patchworkdramen findet offenbar im Berliner Bezirk Mitte statt.

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