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Klassizistisch zeitgenössisch. Seit Februar beherbergt Schloss Biesdorf die Kommunale Galerie des Bezirks.

© Schloss Biesdorf

Schloss Biesdorf: Marzahner Mischung

Der Kulturort Schloss Biesdorf hat sich nach Betreiberturbulenzen wieder berappelt. In der Ausstellung „Soft City: Japan und Berlin“ loten Künstler den städtischen Raum aus.

Die Herbstsonne strahlt durch gelb verfärbte Buchen. Im Park raschelt das Laub unter den Füßen. Schloss Biesdorf ist ein erst 2016 nach langjähriger Renovierung als Kulturort wiedergewonnenes Idyll. Mit lichten Ausstellungs- und Veranstaltungssälen, einem weitläufigen Café und dem der Kunstvermittlung gewidmeten „Labor M“, wo sogar im Souterrain der spätklassizistischen Villa Rosen vor den Fenstern gaukeln.

Glaubt man Leiterin Karin Scheel, die seit Februar als Kuratorin und Galeristin des Bezirks Marzahn-Hellersdorf Herrin über die schicken 2500 Quadratmeter ist, herrscht jetzt auch drinnen wieder eitel Sonnenschein. Am Jahresanfang sah das noch ganz anders aus. Im Dezember hatte der landeseigene Betrieb Grün Berlin Knall auf Fall zum 31. Januar das Ende seines erst im September 2016 gestarteten Zentrums für Kunst und öffentlichen Raum im Schloss Biesdorf erklärt. Angeblich deckte das Jahresbudget von 500 000 Euro die Kosten nicht.

Freier Eintritt lässt Besucherzahlen wachsen

Als schnelle Lösung zog dann im Februar bei weitergeführtem Ausstellungsbetrieb die bisher an der Marzahner Promenade ansässige Kommunale Galerie M. ins Schloss. Nach diesen mit einigem Getöse einhergegangenen Turbulenzen und dem ewigen Sommer dürften die Besucherzahlen des Jahres 2018 eher mau sein. Doch die Vermutung verneint die in der Berliner Kunstszene gut vernetzte Karin Scheel. „Sie haben sich seit der Übernahme mehr als verdoppelt.“ Der Hausstatistik nach hat Grün Berlin im Jahr 2017 gut 33 000 Besucher gezählt. Und die Kommunale Galerie verzeichnet nun von Februar bis September schon gut 50 000 Interessierte. Einer der Gründe dürfte der nunmehr freie Eintritt zu Ausstellungen, Konzerten und Lesungen sein. Aber auch die Schlagzahl der Ausstellungseröffnungen hat sich auf sechs jährlich erhöht, jeweils von einem Rahmenprogramm flankiert.

Hausherrin. Karin Scheel, seit Februar künstlerische Leiterin von Schloss Biesdorf, 2017 fotografiert.

© Ingo Salmen

Auch im repräsentativen historischen Ambiente des 1867 im Auftrag des Freiherren von Rüxleben errichteten Herrenhauses bleibt die Galerie dem Konzept treu, zeitgenössische internationale Positionen mit dem Leben im sowohl von Hochhaus- wie von Einfamilienhausquartieren geprägten Bezirk zu verzahnen. Im Schloss nur DDR-Kunst aus den Beständen des Kunstarchivs Beeskow zu zeigen, wie vor ein paar Jahren angedacht, fällt Karin Scheel trotz mancher Kritik nicht ein. „Mich interessiert, was heute in der Kunst und in der Welt passiert.“ Also Fragen der Urbanität, Auseinandersetzung mit gesellschaftlich relevanten Themen. „Bloß keine reine Dekoration.“

Das kulturelle Erbe der DDR hat trotzdem seinen Platz. Das ist in den Förderrichtlinien von Land und EU festgeschrieben. In den beiden dem Kunstarchiv Beeskow vorbehaltenen Räumen im ersten Stock eröffnet am 18. November (11 Uhr) eine Schau mit Grafiken und Fotografien zu Gedichten von Johannes R. Becher unter dem Titel „Und des Menschen Größe“. In der Planung fürs kommende Jahr finden sich gleich drei Ausstellungen, die sich mit Jubiläen befassen – eine zu 30 Jahre Mauerfall, eine zu 40 Jahre Marzahn, und „Klasse Damen“ thematisiert den hundert Jahre zurückliegenden Einzug von Frauen in Kunstakademien.

Der Verrückte mit der Bambuskugel

Die aktuelle Schau „Soft City – Japan und Berlin“ zeigt, wie sich Reflexionen zum städtischen Raum regional verorten lassen, ohne nur lokal gültig zu sein. Die Video-Sound-Licht-Installation „Straßenwitz“ von Linda Havenstein, verwandelt Aufnahmen von im Dunkeln blau und gelb leuchtenden Marzahner Fenstern in ein universell lesbares Hochhaus-Morsealphabet. Auch die Videoinstallation „Marzahn Stratigraphie“ des in Tokio lebenden Künstlers Masaru Iwai, der wie die elf anderen monatelang im Bezirk unterwegs war, steht für das Phänomen Stadt an sich. Bilder von Konsumgütern, Händen, Steinen legen sich in Schichten über die von oben gefilmte Ansicht symmetrischer Bebauung.

Verfremdetes Stadtraster. Masaru Iwais Videoinstallation "Marzahn Stratigraphie" (2018) schichtet bewegte Bilder.

© Schloss Biesdorf

Handgreiflicher, kommunikativer wirkt die Arbeit von Titus Spree. Der Architekt und Künstler ist Kunstprofessor in der japanischen Präfektur Okinawa und hat die neben Installationen auch Fotografien und Zeichnungen zeigende „Soft City“-Schau zusammen mit Linda Havenstein und Karin Scheel konzipiert. Sein Beitrag, dessen Wirkung im Marzahner Stadtraum filmisch und fotografisch dokumentiert ist, hängt im Oktagon von Schloss Biesdorf – eine luftig mit Kabelbindern zusammengehaltene Bambuskugel. Das Ding durch die Straßen von Marzahn zu rollen, wo Kinder dem Verrückten mit der Kugel folgen und Passanten erstaunte Fragen stellen, oder die Kugel hoch hinauf in die Bäume zu ziehen, ist Teil des Konzepts namens Kommunikation.

Teilhabe, ein offenes Haus – das ist ganz im Sinne von Karin Scheel, der die Kunstvermittlung an Erwachsene und Kinder ein Anliegen ist. Dass die gezeigten Künstlerinnen und Künstler sich immer direkt das Leben im Bezirk vornehmen oder gar hier leben, ist dabei keineswegs Pflicht. „Das würde ja ziemlich schnell krampfig.“ Außerdem kriegt man dann womöglich die großen Namen nicht. So wie Wolf Vostell oder Marina Abramovic, von denen sie Arbeiten für das kommende Jahr angefragt hat. Vostells Erben hätten schon zugesagt. Und Abramovic? Auch kein Problem, lächelt Karin Scheel, die kenne sie ganz gut.

Schloss Biesdorf, Alt-Biesdorf 55, S-Bahnhof Biesdorf, „Soft City“ bis 25. Januar, tgl. außer Di 10–18 Uhr, Fr 12–21 Uhr, Infos: www.schlossbiesdorf.de

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