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Kultur: Mehr Musik passt in kein Leben Tagesspiegel-Matinée

für Pauline Viardot

Wie viel Musik passt in ein Leben? Pauline Viardots Leben jedenfalls war randvoll mit Musik, zum Platzen voll damit. Gesungen hat sie fast alles, was das Opern- und Liedrepertoire ihrer Zeit hergab. Klavier spielen konnte sie so gut, dass selbst ihr Lehrer Franz Liszt begeistert war. Und komponiert hat sie – ungewöhnlich für eine Frau im 19. Jahrhundert – über 100 Lieder und mehrere Opern. Dennoch ist die Kosmopolitin, die heute vor hundert Jahren starb, weitgehend vergessen und wird erst in jüngster Zeit neu entdeckt.

Sie kannte die großen Komponisten und Virtuosen gleich mehrerer Generationen, von Giacomo Meyerbeer über Robert und Clara Schumann, Chopin, Berlioz, Gounod, Massenet, Saint-Saëns bis hin zu Richard Wagner. Und sie hatte das Glück, anders als viele ihrer Musikerfreunde ein gesegnetes Alter von beinahe 89 Jahren zu erreichen: Mehr Musik geht nicht. Schon der Vater, Manuel García: eine musikalische Urgewalt, Tenor, Komponist, Opern-Impresario, der seine Truppe zu Gastspielen bis ins ferne Mexiko trieb, wo sie von Banditen überfallen wurde und die kaum zehnjährige Pauline Todesängste ausstand.

Der Bruder, Manuel García der Jüngere: Sänger, Stimmforscher, Erfinder des Kehlkopfspiegels, Gesangslehrer, zu dem die berühmtesten Sänger pilgerten. Und erst die ältere Schwester Maria: „la Malibran“, umjubelte Primadonna auf Europas Opernbühnen, mit 28 Jahren verstorben. Dietrich Fischer-Dieskau hat dieser außergewöhnlichen Musikerfamilie ein Buch gewidmet.

Pauline war das jüngste Kind, 1821 in Paris geboren. Eigentlich wollte sie Pianistin werden – schon als Kind begleitete sie die Schüler ihres Vaters. Aber nach dem frühen Tod ihrer Schwester trat sie in deren Fußstapfen und feierte mit ihrem außergewöhnlichen Mezzosopran als Norma, Desdemona, Rosina und in vielen anderen Rollen Triumphe in London, Paris, Sankt Petersburg und Berlin. „Sie ist die genialste Frau, die mir je vorgekommen“, schrieb Clara Schumann über die Viardot, die fünf Sprachen sprach und mit großer Leichtigkeit Gedichte vertonte und Opern schrieb, die sie als „Salon-Operetten“ bezeichnete und mit ihren Gesangsschülerinnen aufführte.

In den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts lebte sie, zusammen mit ihrem Mann Louis Viardot und Iwan Turgenjew, ihrem lebenslangen Freund, in Baden-Baden und hielt dort in einem eigens für sie erbauten Theater Matineen ab, zu deren Gästen sogar der König und die Königin von Preußen gehörten. Noch mit über achtzig Jahren komponierte Pauline Viardot eine charmante kleine Oper, „Cendrillon“, Aschenputtel, die vor einigen Jahren im Konzerthaus zu hören war. Ihr letztes Wort, so heißt es, war: „Norma“ – die Partie, die sie am liebsten gesungen hatte. Der Gesang, so schrieb ein Zeitgenosse, wirke bei ihr so natürlich wie das Atmen. Ein Leben voller Musik, bis zum letzten Hauch. Dorothee Nolte

Am Sonntag, 30. Mai, findet im Tagesspiegel-Gebäude eine Matinee zu Ehren Pauline Viardots statt. Die australische Mezzosopranistin Sally Wilson singt Lieder von Pauline Viardot-García sowie Lieder und Arien von Schumann, Fauré, Liszt, Gounod und Massenet, die die Viardot gesungen bzw. bearbeitet hat. Am Flügel: Scott Curry. Beginn 11 Uhr, Askanischer Platz 3, Anmeldung unter Tel. 29021-520.

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